Bilder


Blick von unserem Balkon in den Berliner Grunewald

 


 

 

    

 

        Elbabwärts bis Hamburg

              

  Geobotanisch-ökologische Exkursionen in der Elb- und Havelaue

 

 

       Joachim Pötsch*

 

 

Einleitung und Gebietsübersicht


 

Tschechisch als „Labe“ bezeichnet, ist die Herkunft des deutschen Namens Elbe immer noch umstritten.  Aber vielleicht haben die Römer einfach freudig „albis“ (Weißer Fluß) gerufen, als sie aus dem dunklen Auenwald hervortraten und die weißen Strände und breiten Sandbänke erblickten. Im Reich Rübezahls, dem sagenumwobenen 

Riesengebirge entspringend, ist die Elbe einer der größten

Ströme Mitteleuropas. An ihrem 1091 km langen Lauf und dem ca. 148000km² umfassenden Einzugsgebiet liegen reizvolle Landschaften wie das vulkanisch geprägte Böhmische Mittelgebirge, die bizarre Sächsische Schweiz, das ob seiner innigen Verflechtung von Natur- und Kulturlandschaft einzigartige Dessau-Wörlitzer Gartenreich, die weiträumige untere Havel- und Elbaue oder der von Ebbe und Flut geprägte untere Flusslauf von Geesthacht bis zur Mündung in die Nordsee. Noch außerordentlich naturnahe Landschaften, die zu Nationalparks erklärt wurden wie die Sächsische Schweiz und Kulturlandschaften europäischen Rangs wie das Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ im mittleren und unteren Abschnitt der Elbaue wechseln miteinander ab und verleihen der Landschaft einen unverwechselbaren, lieblichen Reiz. Gefördert wurde der noch erfreulich unberührt anmutende Charakter der Landschaft durch die bis 1989 bestehende, schärfstens gesicherte Grenze zwischen „Ost und West“ und die aus finanzieller Notlage unterbliebenen Flußregulierungen in der damaligen DDR. Viele Städte, in der Mehrzahl linkselbisch gelegen, künden mit ihren mittelalterlichen weltlichen Bauten und Domen von vergangener, bedeutender Zeit. Meißen und Magdeburg sind historische Zeugen für die Ausbreitung des Christentums nach Osten. Hradec Kralove (Königgrätz) und Dresden haben vergangenen und gegenwärtigen Ruhm als königliche böhmische bzw. sächsische Residenzen und Zentren von Kunst, Wissenschaft und Industrie. Blutige Ereignisse, wie die Schlacht im Preußisch-Österreichischen Krieg bei Königgrätz oder die Zerstörung Dresdens im II. Weltkrieg, sind eher unrühmliche Zeugnisse menschlichen Handelns. Wittenberg wiederum weist vorwärts. Luther hat an das Tor der weithin im Elbtal zu sehenden Schlosskirche seine berühmten Thesen angeschlagen und damit die Reformation eingeleitet.  Tangermünde und Hamburg erfuhren durch Hanse und Handel höchstes Ansehen und bestimmen mit prächtigen Bauten das Bild des Elbtals. Wie kein anderes kulturgeschichtliches Zeugnis präsentiert sich der Hamburger Hafen als Tor zur Welt. Gut geschützt, liegt er viele Kilometer oberhalb der Elbmündung an traditionsreichem Ort. Natürlich kann mit dieser kurzen Übersicht nicht annähernd Vollständigkeit erreicht werden, will man Städte und Landschaften an einem kulturgeschichtlich so bedeutsamen Fluß Mitteleuropas würdigen. Zumindest Torgau mit seinem Renaissance-Schloß und der historischen Begegnung von Amerikanern und Sowjet-Truppen am Ende des II.Weltkriegs wäre noch zu nennen. Auch in Dessau, wo in der Firma Junkers das erste Ganzmetallflugzeug und die ersten Düsentriebwerke konstruiert wurden und in dessen Mauern das berühmte Bauhaus seine Heimat hat, ist Weltgeschichte geschrieben worden. Ebenso reich an kulturellen Schätzen ist der weiter unterwärts liegende Abschnitt des Elbtals. In Havelberg zeugt der mächtige Dom vom Beginn der Christianisierung Ostelbiens. Weiter elbabwärts liegt Dömitz, in dessen Festung Fritz Reuter als politischer Häftling eingekerkert war. Hitzacker und Bleckede schmücken sich mit herrlichen Fachwerkbauten, Geesthacht und Lauenburg mit schönen Altstadtvierteln. In Boizenburg werden seit über 100 Jahren Wand- und Bodenfliesen hergestellt. Besucher aus aller Welt erfreuen sich im Fliesenmuseum der Stadt an Exponaten der verschiedenen Stilepochen, darunter aus der Zeit des Jugendstils. Nicht übersehen sollte man Wittenberge, wo alljährlich die viel beachteten Elbfestspiele mit international bekannten Künstlern stattfinden und auch Werben, die alte Hansestadt, die mit ihrer weit sichtbaren Kirche und herrlichen mittelalterlichen Bauten um Touristen wirbt. Rundlingsdörfer im linkselbischen Wendland sind ein besonderes kulturhistorisches Kleinod. Lübeln und Satemin sind weithin bekannte Siedlungen, deren Steilgiebelhäuser eng beieinander stehend rundum den Dorfplatz säumen. Irgendwie bleibt aber die Elbe ein Grenzfluß. Als die Bürger Lenzens 1929 das 1000 jährige Bestehen ihrer Stadt feierten, erinnerte man sich an jene Schlacht des Jahres 929, als die Sachsen unter König Heinrich I. die Slawen besiegten. Auf einer slawischen Wehranlage ließ Markgraf Albrecht im 12. Jhdt. eine Burg errichten, deren Bergfried noch heute auf das damalige Geschehen verweist. Klimatisch ungünstigere Bedingungen mit höherer Sommertrockenheit und ausgedehntere Sandbodenflächen standen indes einer  dichteren Besiedlung der mecklenburgischen, pommerschen und brandenburgischen Moränenlandschaften im Wege. So trennt die Elbe, sieht man einmal vom Berliner Raum ab, ein dünn besiedeltes Ostelbien von einem dichter bewohnten und  damit stärker zersiedelten Westen.

Nach der Deutschen Wiedervereinigung kam dem Ausbau der Verkehrswege zwischen Ost und West eine besondere Bedeutung zu. Hierbei wurde auch einem alten Bauprojekt besondere Aufmerksamkeit geschenkt, mit dem man schon in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts begonnen hatte, als man versuchte, den Mittellandkanal an das östliche Wasserstraßennetz anzubinden. Die Bauarbeiten an der notwendigen Kanalbrücke über die Elbe mußten allerdings 1942 kriegsbedingt eingestellt werden. Im Jahr 1996 begannen im Rahmen des Projektes  Nr. 17 der Verkehrsprojekte Deutsche Einheit  Planung und  Beginn der Arbeiten für eine neue Brücke gewaltigen Ausmaßes, deren Fertigstellung und Einweihung am 10. Oktober 2003 erfolgte. Seitdem ist der Wasserweg erheblich verkürzt und einer wirtschaftlichen Erschließung ostdeutscher Gebiete wird es weiterhin gut tun. Den Verkehr von der Straße auf die Schiene und auf den Wasserweg zu bringen,  war von jeher eine wichtige ökologische Zielstellung. 

 

 

Exkursionen

 

 1. Elbquelle und Nationalpark 

   Riesengebirge


 

      Einführung

 

Fast 1200 Flußkilometer liegt die Elbquelle (Pramen Labe) von der Nordseemündung entfernt. Hoch oben im Riesengebirge (Krkonose) findet man in Hochmooren und Bergkieferngebüschen das Quellgebiet in 1386,6 m N. N. Viele Pfade führen zu einem etwas unterhalb gelegenen Quelltopf, in dem sich das Wasser sammelt, um forthin als Bergbach vorbei an der Elbbaude (Labska bouda) nach Spindlermühle (Spindleruv Mlyn), den ersten großen Ort zu fließen.

Die meisten Riesengebirgstouristen, zumal als Besucher des böhmischen Teils, haben die Elbquelle fest im Programm. Sie bewundern die dort in einer Böschungswand eingelassenen Wappen von 26 an der Elbe gelegenen Städten. Von Spindlermühle bis Cuxhaven reicht die bunte Palette, vor der Erwachsene wie Kinder gleichermaßen andächtig verharren.

An der Elbquelle vorbei führte schon vor fünf Jahrhunderten der böhmische Pfad (Ceska stezka), der Böhmen und Schlesien verband. Es ist ein alter bedeutender Salzhandelsweg, den auch der Königgrätzer Bischof Johann von Tallenberg nutzte, um am 19. September 1684 die Quelle zu weihen. Eine zweite Weihe erfolgte auf den Tag genau 200 Jahre später durch den Dekan von Hohenelbe (Vrchlabi), Wenzel Weber.

 

Die Elbquelle liegt in der subalpinen Zone im tschechisch-böhmischen Riesengebirge, einem relativ flachen, leicht nach Südosten geneigten Gelände, der sogenannten Elbwiese (Labska louka). Borstgrasrasen mit eingesprengten Hochmooren und Bergkieferngebüschen prägen das Bild, dem sich nordwärts, ab etwa 1450 m Höhe die karge alpine Zone mit Geröllfluren anschließt. Dort verläuft der fast 30 km lange Hauptkamm, auch Schlesischer Kamm oder Grenzkamm genannt. Er bildet die polnisch-tschechische Grenze. Die höchsten Gipfel des Riesengebirges, darunter der Veilchenstein (Violik, 1472 m), das Hohe Rad (Vysoke kolo, 1508 m) und die Schneekoppe (Snezka), mit 

1602 m der höchste Berg, befinden sich hier und lassen sich auf relativ unbeschwerlichem Gebirgspfad erreichen.

Die Elbe (Labe) durchbricht den südlich vorgelagerten Böhmischen Kamm oberhalb von Spindlermühle. So wird das Elbtal westlich von den Gipfeln der Kesselkoppe (Kotel, 1435 m), der Goldhöhe (Krkonos, 1411 m) und des Schüsselberges (Medvedin, 1235 m) begrenzt. Östlich liegen u. a. der Ziegenrücken (Kozi hrbety, 1318 m) und der Hochwiesenberg (Lucui hora, 1555 m). Wenige Kilometer oberhalb von Spindlermühle vereinigen sich Elbgrund (Labsky dul) und Weißwassergrund (Dul Bileho Labe) zum Tal der eigentlichen Elbe. Sie wird bereits unterhalb von Spindlermühle in einem etwa 1 km langen Stausee, der Elbtalsperre (Labska prehrada) gestaut. Die Talsperre mit  begehbarer, architektonisch eindrucksvoller Sperrmauer wurde in den Jahren 1910 bis 1914 errichtet, um die tiefer gelegenen Ortschaften vor verheerenden Überschwemmungen nach großen Regengüssen oder plötzlicher schneller Schneeschmelze zu schützen. Anlaß dazu waren wohl die Katastrophen in den Jahren 1882, 1883 und 1887. Heute ist die Funktion der Talsperre noch bedeutender, da die durch Luftverunreinigung geschädigten Wälder ihre natürliche Rückhaltefunktion weitestgehend eingebüßt haben und damit Hochwasser wie in den Jahren 1997 und 2002 an Oder und Elbe ein verheerendes Ausmaß annehmen können.

Auf dem Weg nach Vrchlabi (Hohenelbe) durchfließt die Elbe, flankiert von dichten Nadelholzwäldern, direkt neben der Hauptstraße den südlichen Teil des Nationalparks.


 Flora und Fauna


Das Riesengebirge ist infolge seiner orographischen, klimatischen und edaphischen  Besonderheiten floristisch reich ausgestattet. Es sind über 1250 Arten von Gefäßpflanzen beschrieben, die sich auf die verschiedensten Höhenstufen von der submontanen bis alpinen Zone verteilen.

Besondere Aufmerksamkeit finden die arktisch-alpin verbreiteten Arten mit mehr als 190 Sippen. Unter ihnen sind in erster Linie die Endemiten zu erwähnen, zu denen u.a. eine große Zahl von Habichtskräutern (Hieracium spec.) , die Riesengebirgs-Glockenblume (Campanula corcontica), der Basalt-Moschus-Steinbrech (Saxifraga moschata ssp. basaltica) und die Sudeten-Eberesche (Sorbus sudetica) gehören. Der 1835 zum ersten Mal beschriebene, bis zu 1,50 m hohe Strauch kommt nur an wenigen Stellen im böhmischen Teil des Riesengebirges vor. Mit seinen unterseits weißfilzigen Blättern und rosafarbenen Blüten erinnert er einerseits an die Echte Mehlbeere (Sorbus aria), andererseits aber auch an die Zwerg-Mehlbeere (Sorbus chamaemespilus), der er früher einmal als sudetische Unterart zugerechnet wurde.

Weitere sehr bemerkenswerte arktisch-alpine Arten sind Krumm-Birke (Betula tortuosa), Moltebeere (Rubus chamaemorus), Sudeten-Läusekraut (Pedicularis sudetica) oder Schnee-Steinbrech (Saxifraga nivalis). Sie kommen bevorzugt in Gletscherkaren wie der botanisch viel gerühmten Kleinen Schneegrube, der Elbegrube, den Teichgruben und auf anderen kalten Gebirgsstandorten vor. Die Gletscherkare sind Stätten größten Pflanzenreichtums und werden als Gärtchen, so als Krakonosova zahradka (Rübezahls Gärtchen), Certova zahradka (TeufelsGärtchen), Schustlerova zahradka (Schustlers Gärtchen) oder Kotelska zahradka (Kessel Gärtchen) bezeichnet. Der Florenreichtum ist Ausdruck des im Riesengebirge besonders wirksamen anemo-orographischen Systems, bei dem in den west-östlich ausgerichteten Haupttälern der Wind in den leewärts gelegenen tiefen Karen zu heftigen Turbulenzen führt und mitgeführte Diasporen von Pflanzen ablagert. Hohe Schneedecken und häufige Lawinen sind weitere begünstigende Faktoren für die reiche Ausbildung einer arktisch-alpinen Flora. Kraut-Weide (Salix herbacea) und Zwerg-Primel (Primula minima), zwei typische Arten der Schneetälchen, deuten auf die lange Schneebedeckung in den Karen, von denen einige als Schneegruben bezeichnet werden, hin.

 

 Höhenstufen


Das Riesengebirge ist klein und seine Gipfel niedrig genug, um an einem Tag alle Vegetationszonen bis in die Gipfelregion hinauf zu durchwandern. Wenngleich auch genaue Höhenangaben für einzelne Stufen schwierig sind, weil Expositionsunterschiede, differenzierende Vegetationsstruktur, Bodenverhältnisse und andere Relieffaktoren ihre Lage bestimmen, sind doch gewisse Angaben möglich.

 


In der submontanen Stufe kommen in 400 bis 800 m N.N. Laub- und Mischwälder vor, in denen Rot-Buche (Fagus sylvatica), Berg-Ahorn (Acer pseudo-platanus), Eberesche (Sorbus aucuparia), Gemeine Fichte (Picea abies) und Weiß-Tanne (Abies alba) das Vegetationsbild bestimmen. In der Feldschicht fallen Wald-Reitgras (Calamagrostis arundinacea), Busch-Windröschen (Anemone nemorosa), Weiße und Zwiebel-Zahnwurz (Dentaria enneaphyllos, D. bulbifera), Einbeere (Paris quadrifolia) und Türkenbund-Lilie (Lilium martagon) auf. Pflanzensoziologisch lassen sich die Buchen-Mischwälder des Riesengebirges dem artenärmeren, bodensauren Hainsimsen-Buchenwald (Luzulo-Fagetum montanum) und dem krautreichen Zahnwurz-Buchenwald (Dentario-Fagetum) zuordnen.

In der folgenden montanen Höhenstufe, die von etwa 800 m bis 1200 m N.N. reicht und als die eigentliche Zone des Bergwaldes anzusehen ist, dominiert die Gemeine Fichte. Beigemischt ist vor allem die Eberesche, nur gelegentlich kommen Weiß-Tanne und Berg-Ahorn vor. In der Feldschicht treten besonders Blaubeere (Vaccinium myrtillus), Wolliges Reitgras (Calamagrostis villosa), Gewöhnlicher Alpenlattich (Homogyne alpina) und eine Reihe von Farnen und Bärlappen auf. Regelmäßig findet man Rippenfarn (Blechnum spicant), Breitblättrigen Dornfarn (Dryopteris dilatata), Sprossenden Bärlapp (Lycopodium annotinum) und Teufelsklaue oder Tannen-Bärlapp (Huperzia selago). 

Überaus markant und für den Berg-Fichtenwald des Riesengebirges charakteristisch, ist das reiche Vorkommen des Schwalbenwurz-Enzians (Gentiana asclepiadea).Seine blaue Blütenpracht lässt Bergwanderungen im Hochsommer und Herbst zu eindrucksvollen Erlebnissen werden, zumal eine gute Fernsicht in dieser Jahreszeit mit höherer Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Pflanzensoziologisch lässt sich der Berg-Fichtenwald mit entsprechenden Wäldern in anderen mitteleuropäischen Gebirgen vergleichen. Sein reiches Vorkommen an Gewöhnlichem Alpenlattich (Homogyne alpina) deutet auf Beziehungen zum nordalpinen Homogyne-Piceetum hin. Das gehäufte Auftreten von Blau- und Preiselbeere (Vaccinium myrtillus, V. vitis-idaea) sowie Siebenstern (Trientalis europaea) vermittelt hingegen zu der mitteleuropäischen Zentralassoziation, dem Vaccinio-Piceetum.

Oberhalb der Waldgrenze , die im Riesengebirge von der Gemeinen Fichte (Picea abies) gebildet wird, befindet sich die subalpine Höhenstufe mit ausgedehnten Knieholzbeständen. Bis zu 200 Jahre alte Berg-Kiefern (Pinus mugo) prägen das Vegetationsbild. Eingestreut finden sich Karpaten-Birke (Betula carpatica), Schlesische Weide (Salix silesiaca), Kahle Eberesche  (Sorbus aucuparia ssp.glabrata) und vereinzelt auch noch kleine von Wind und Schnee gezeichnete Fichten (Picea abies). Alle bleiben im kalten Winter größtenteils unter der Schneedecke . In den frostigen Karen kommen Knieholzbestände auch in der Waldstufe vor. Man spricht in solchen Fällen von einer Höhenstufenumkehr.

Die Pflanzengesellschaft ist als Pinetum mughi sudeticum beschrieben worden. Ähnliche Bestände kommen  in den Karpaten vor, ihnen fehlen aber einige Arten mit borealer bzw. subatlantischer Verbreitung wie der Europäische Siebenstern (Trientalis europaea) und das Harz-Labkraut (Galium saxatile). Die subalpine Höhenstufe wird, wie in der Abbildung weiter oben erkennbar ist, in verschiedenen Gebirgen (Harz, Riesengebirge, Zentralalpen) von unterschiedlichen Arten geprägt. Hierfür sind klimatische Faktoren oft von  besonderer Bedeutung, wie das Vorkommen der Zirbel-Kiefer (Pinus cembra) in den Zentralalpen und in anderen kontinental geprägten Gebirgen beweist. 

Zwischen  den Knieholzbeständen gedeihen artenarme Borstgras-Rasen (Nardetum strictae). Ihr relativ eintöniges Bild wird dennoch durch einige schön blühende Pflanzen belebt. Alpen-Küchenschelle (Pulsatilla alpina), Alpen-Habichtskraut (Hieracium alpinum) oder Gold-Fingerkraut (Potentilla aurea) schmücken mit weißen und gelben Farbtupfen die ausgedehnten Matten.

Außerordentlich charakteristisch sind die vielen Moore. Sie beherbergen zahlreiche Glazialrelikte, darunter die Moltebeere (Rubus chamaemorus) und Sudeten-Läusekraut (Pedicularis sudetica). Sehr auffällig sind das Scheidige und Schmalblättrige Wollgras (Eriophorum vaginatum und E. angustifolium) mit weißen, wolligen Fruchtständen. Die Rasige Haarsimse (Trichophorum cespitosum) dominiert gemeinsam mit Torfmoosen die Bestände. Seltenere Arten sind die Wenigblütige und Starre Segge (Carex pauciflora, C. bigelowii) sowie die Alpen-Haarsimse (Trichophorum alpinum).

Die Elbquelle liegt inmitten solcher Moore zwischen Knieholzbeständen in 1386,3 m Höhe über N.N. Am Ufer des zunächst winzigen Gebirgsbaches gedeihen farbenfrohe, subalpine Hochstaudenfluren mit Grauem Alpendost (Adenostyles alliariae) und Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina). Beide Arten gaben der Gesellschaft auch den Namen: Cicerbito-Adenostyletum. Hochstaudenfluren sind besonders artenreich in tiefer gelegenen Tälern und Talkesseln, so bspw. auch im Labsky dul (Elbtal). Wald-Storchschnabel (Geranium sylvaticum),  Blauer Eisenhut (Aconitum napellus ssp. firmum), Platanenblättriger Hahnenfuß (Ranunculus platanifolius), Weißer Germer (Veratrum album), Stengelumfassender Knotenfuß ( Streptopus amplexifolius), Gebirgs-Frauenfarn (Athyrium distentifolium) oder Alpen-Ampfer (Rumex alpinus) sind sämtlich hohe Stauden, die besonders nach warmen Frühsommern beeindruckende Größen erreichen.

Die alpine Höhenstufe oberhalb der 1450 m Linie ist im Riesengebirge nur schwach angedeutet. Schneekoppe (Snezka), Brunnberg (Studnicni hora), Hochwiesenberg (Lucni hora), Hohes Rad (Vysoke kolo) und Kesselkoppe (Kotel) als höchsteGipfel sind von Steingeröll übersät und bieten nur wenigen Arten geeignete Standorte. Dreispaltige Binse (Juncus trifidus), Felsen-Straußgras (Agrostis rupestris), Riesengebirgs-Glockenblume (Campanula corcontica) und andere z.T. wenig auffallende Arten sind hier zu finden. An den Steinen gedeihen Flechten, darunter die bunte Landkarten-Flechte (Rhizocarpon geographicum).

 

In der umfangreichen Literatur über das romantisch anmutende Riesengebirge und beim Studium alter Karten stößt man immer wieder auf Namen von Tälern, Schluchten und Bächen, die auf Braunbär und Wolf hinweisen. Beide sind aber schon am Anfang bzw. in der Mitte des 18. Jhdts. ausgerottet worden, ein Schicksal, dem auch Luchs und Wildkatze zu Beginn des 19. Jhdts. erlagen. Über Steinadler, Dreizehenspecht und Wanderfalke sind die Angaben widersprüchlich, so daß man allenfalls vom Vorkommen weniger Exemplare ausgehen kann. Es ist zu hoffen, daß all diese Tiere bei den verschärften Schutzmaßnahmen auch bald wieder zum festen Bestand der Tierwelt des Riesengebirges gehören. So zählt man heute wie in allen Gebirgen Rot-, Reh- und Schwarzwild neben Fuchs und Dachs zu den häufiger anzutreffenden Arten. Auch das scheue Mufflon, das Anfang des 20. Jhdts. eingeführt wurde, sei erwähnt. Annähernd 100 Vogelarten werden vom Riesengebirge genannt, darunter Uhu, Rauhfuß- und Sperlingskauz, Mäusebussard, Turmfalke, Habicht und Sperber. Auerhahn, Hasel- und Birkhuhn werden beschrieben und mit Freude wird auch auf das Vorkommen des Schwarzstorchs verwiesen. Fichtenkreuzschnabel, Berg- und Wiesenpieper, Ringdrossel sowie die Alpenbraunelle, eine Seltenheit an der Schneekoppe, werden weiterhin in der Literatur aufgeführt. An Gebirgsbächen lassen sich Wasseramsel und Eisvogel beobachten. Das Vorkommen von Alpenspitzmaus und insgesamt 16 Fledermausarten rundet das Bild von der doch noch reichen Tierwelt des Riesengebirges ab, zu der übrigens auch so seltene Insekten wie die Riesengebirgs-Eintagsfliege und die Alpensmaragd-Libelle gehören.

Wie nach den strengen Schutzmaßnahmen in Europa zu vermuten war, konnten in den letzten Jahren erfreulicherweise auch im Riesengebirge wieder Wolf und Luchs gesichtet werden. Entsprechende Pressemitteilungen ( PRAGER ZEITUNG, 2012; CZECH RADIO, 2013; SÄCHSISCHE ZEITUNG, sz-online.de, 2016; MDR.DE, 2017) wurden von Vertretern der beiden Nationalparke bestätigt.

 

Naturschutz

Beginnende Siedlungstätigkeit im 13. und 14. Jahrhundert und 200 Jahre später anschließender Bergbau haben erste deutliche Spuren in der bis dahin nahezu unberührten Natur des Riesengebirges hinterlassen. Rigoroser Holzeinschlag und  Viehweide dezimierten in der Folgezeit die Wald- und Knieholzbestände so stark, dass es bereits damals zu ersten größeren Naturkatastrophen kam. Waldbauliche Maßnahmen im Zuge der zur Jahrhundertwende aufblühenden Forstwirtschaft mussten deshalb als Hilfe für die verwüstete Landschaft empfunden werden , wenngleich auch die Waldpflege mit deutlichen Veränderungen in der Bestandsstruktur verbunden war.


Schon früher erfolgten erste Naturschutzmaßnahmen. Graf Johann von Harrach ließ 1904 das erste Naturschutzgebiet im Elbgrund (Labsky dul) einrichten, dem sich 1922 auf polnischer Seite das Schutzgebiet in der Kleinen Schneegrube (Maly Kociol) anschloß.

Im 19.Jahrhundert entwickelte sich das Riesengebirge zu einem der bekanntesten touristischen Zentren in Mitteleuropa. Unzählige Geschichten über den Berggeist Rübezahl lockten in Scharen Wanderer an. Selbst bedeutende Maler der Romantik wie Ludwig Richter, Moritz von Schwind oder Caspar David Friedrich waren dem Scharm der bizarren Landschaft erlegen, wie viele ihrer Gemälde bezeugen.


Nach dem II. Weltkrieg nahm der Tourismus wie in allen mitteleuropäischen Gebirgen weiter zu. Es war deshalb nur folgerichtig, dass am 16.1.1959 auf einer Fläche von 5500 ha der erste Nationalpark des Riesengebirges auf polnischer Seite eingerichtet wurde. Ihm folgte am 17.5. 1963 mit einer Fläche von 36300 ha auf böhmischer Seite der entsprechende tschechische Nationalpark. Beide Schutzgebiete schließen nahtlos aneinander und umfassen in erster Linie die subalpinen und alpinen Kammregionen, aber auch wertvolle Biotope  in tiefer gelegenen Bereichen wie Kare, Gründe, Moore , Wasserfälle, Wälder u.a. Die technischen und wissenschaftlichen Mitarbeiter der Verwaltungen beider Nationalparke arbeiten eng zusammen und erhielten dafür  auf der EUROPARC - Jahreskonferenz 2011 erneut das Zertifikat Grenzüberschreitender Nationalparke (EUROPARC annual report, 2011).

Seit 1992 ist das Riesengebirge als Biosphären-Reservat ausgewiesen und unterliegt damit bei hohem Schutzstatus der besonderen Aufmerksamkeit durch die UNESCO. 

Die größten Belastungen der Wald-Ökosysteme des Riesengebirges ergeben sich durch Luftschadstoffe, die  gravierende Schäden an den Bergfichten-Wäldern hinterlassen haben und am Ende des 20. Jhdts. zum Absterben ganzer Waldkomplexe führten. Standortgerechte Aufforstungen gehören deshalb zu den wichtigsten Naturschutzprogrammen. Sie werden von ausländischen Organisationen, so von der niederländischen Stiftung FACE unterstützt.

Große Aufmerksamkeit wird in beiden Nationalparken dem Artenschutz gewidmet. Der Schnee-Steinbrech (Saxifraga nivalis), ein sehr seltenes Glazialrelikt kommt nur in der Kleinen Schneegrube vor. Um den weiteren Rückgang zu stoppen, sind von polnischen und tschechischen Naturschützern intensive populationsbiologische Forschungsarbeiten im Gange. Erste Auspflanzungen sind erfolgreich vorgenommen worden, so dass die Hoffnung besteht, die Population vor dem Aussterben zu retten.

 

Exkursionsroute

Als Standardexkursion zum Studium des oberen Elblaufs gilt allgemein die Tour zur Elbquelle (Pramen Labe). Ausgangspunkt ist Spindlermühle (Spindleruv mlyn), einer der bekanntesten Orte im böhmischen Teil des Riesengebirges. Die Route führt zunächst auf blau markiertem Weg entlang der Elbe in nördlicher Richtung bis zur Einmündung der Weißen Elbe (Bile Labe) am Mädelsteg (Divci Lavka). Vom Restaurant Försterhaus (Myslivna) aus folgt man dem ebenfalls blau gekennzeichneten Harrachweg (Harrachova cesta) im Elbgrund (Labsky dul). Das etwa 8 km lange Gletschertal ist im ersten Abschnitt bis zur Grube (Pancavska jama) mit dem botanisch reichhaltigen Schustlers Gärtchen leicht zu begehen. Erst im letzten Teil wird der Weg steil und führt am Elbfall (Labsky vodopad) vorbei in Serpentinen zur Elbbaude (Labska bouda). Auf schwach geneigtem Plateau folgt man nunmehr der roten Markierung bis am Rande der Elbwiesen (Labska louka) zur Elbquelle (Pramen Labe). Der Rückweg folgt wieder der roten Markierung bis zur Elbbaude und von dort in südlicher Richtung weiter auf rot markiertem Weg zur Vrbatova bouda. Der gut begehbare Gebirgspfad führt am Pantschefall (Pancavska vodopad) und an den botanisch bedeutsamen Pantsche-Wiesen (Pancavska louca) und am Pantsche-Moor (Pancavska raseliniste) vorbei. Von der Vrbatova bouda kann man mit dem Autobus nach Spindlermühle zurückfahren oder der roten und zuletzt gelben Markierung folgend zum Medvedin  wandern, um mit dem Sessellift nach Spindlermühle zurückzukommen.

Herrn Kollegen Dr. Jan Stursa vom Nationalpark Riesengebirge (Krkonossky narodny park, KRNAP),  Ehrenmitglied in der tschechischen EUROPARC - Sektion,  danke ich auch im Namen meines Kollegen Dr. Ralf-Udo Mühle für eine sehr erlebnisreiche Führung im Nationalpark und viele anregende Diskussionen zur Ökologie der dortigen Hochgebirgs-Ökosysteme.

 

 Dauer:   Ganztagsexkursion, etwa 10 Stunden                                                           

 

 Länge:                              ca. 16 km

 

 Gastronomie:     Myslivna, Elbbaude, Vrbatova bouda in

                                      Spindlermühle                                                                                                                                                                       Literatur:


- Die Rückkehr der Wölfe. www.pragerzeitung.cz., 2012

- HUECK, Kurt: Botanische Wanderungen im Riesengebirge.   Pflanzensoziologie, Band 3, Jena, Gustav Fischer-Verlag, 1939

- EUROPARC annual report 2011. www.europarc.org/981.pdf, 2011

- INTERNATIONALE KOMMISSION zum Schutz der Elbe: Die Elbe.     Erhaltenswertes Kleinod in Europa. Magdeburg, 1995

-Isegrimm besetzt neue Reviere. www.mdr.de, 2017

- KÜSTER, Hansjörg: Die Elbe. Landschaft und Geschichte. Verlag  C.H. Beck, München, 2007

- POLLMANN, Bernhard: Riesengebirge. Rother Wanderführer.     Bergverlag Rother GmbH, München 2010

- Rückkehr der Raubkatzen: Luchse nun auch wieder im   Riesengebirge. www.radio.cz, 2013

- Wolfsrudel im Riesengebirge. SÄCHSISCHE ZEITUNG. 

 sz-online.de, 2016


 

 2. Sächsische Schweiz


    
Einführung


 

Bizarr haben Elbe, kleine Nebenflüsse und Gebirgsbäche das Elbsandsteingebirge geformt. Romantische Wanderwege durch enge Schluchten und Gründe mit so vielsagenden Namen wie Wolfs- und Teufelsschlucht oder gar Höllengrund weisen auf die Vielzahl von Naturschönheiten hin und locken Wanderer, Kletterer und Naturliebhaber in Scharen an. Bastei, Lilienstein, Rauenstein, Katzenstein, Zirkelstein und Königsstein mögen Beispiele für jene berühmten Felsen sein, die als Aussichtspunkt oder Kletterparadies Berühmtheit erlangt haben. Der Königsstein ist wie kein anderer Ort Zeuge vielfältigen historischen Geschehens.  Im Jahr 1241 wurde dort die Grenzurkunde zwischen der Mark Meißen und Böhmen unterzeichnet. 1859 begann der Ausbau zur Festung, die übrigens niemals erobert wurde.


 

3. Das sächsische Elbtal bei Dresden und        Meißen              Meißen


 Einführung


Sanft weitet sich das Tal, nachdem  die Elbe die schroffen Felsen der Sächsischen Schweiz hinter sich gelassen hat. Pillnitz, Dresden und Meißen, drei Orte mit großem touristischen Reiz, laden zum Verweilen ein. Eine der reichhaltigsten  Kulturlandschaften Mitteleuropas ist zu erleben. Beeindruckende Architektur, großartige Gartenanlagen, Zentren der Musik und Malerei: Kunst in Fülle und vom feinsten! Dazu eine herrliche Natur. Alte Weinberge auf besonnten, trockenen Hängen, eingebettet in karstige Wälder und bunt blühende Trockenrasen.

Naturschutz hat auch hier seine Tradition und ist überall zu erleben. Auenwälder auf der Pillnitzer Halbinsel und Trockenrasen an den Hängen des Spaargebirges und bei Diesbar und Seußlitz bilden reizvolle Kontraste.


 

Die Exkursionen 2 und 3 werden in dem Exkursionsführer  "Botanische Wanderungen in deutschen Ländern"Band Sachsenausführlich beschrieben. Herausgeber: Prof. Dr. Joachim Pötsch und Doz. Dr.habil. Erich Weinert (verstorben). Autoren: Dr. Ingrid Dunger, Dr. habil. Peter Gutte, Dr. Susanne Kosmale, Holm Riebe und Rolf Weber. Urania Verlag: Leipzig, Jena, Berlin, 1995 


 

4. Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft,   

   Großkühnauer Elbaue und Steckby-

    Lödderitzer Forst 
 


Einmalige Kulturdenkmäler und eine reiche Naturausstattung  prägen das Bild dieser Landschaft. Das Bauhaus in Dessau und das Dessau-Wörlitzer Gartenreich mit seinen viel bewunderten Parkanlagen und Schlössern haben in den Jahren 1996 bzw. 2000 den begehrten Titel " UNESCO-Weltkulturerbe" erhalten, und das ist nicht alles, denn in unmittelbarer Nähe liegt Wittenberg mit den weltberühmten Luther-Gedenkstätten, die ebenfalls unter UNESCO-Schutz stehen. Damit wird auf kleinstem Raum eine bewundernswerte Dichte an Weltkulturgütern erreicht, wie sie anderswo kaum gegeben ist.

Auch im Natur-und Landschaftsschutz steht das Gebiet an vorderer Stelle, hat man hier doch eines der ersten Biosphären-Reservate Deutschlands eingerichtet. Es ging aus dem Naturschutzgebiet Steckby-Lödderitzer Forst hervor. Der Landwirt Max Behr hatte sich 1920 im kleinen Elbauenort  Steckby angesiedelt und beschäftigte sich fortan mit Biber- und Vogelschutz. So wurden in den Steckbyer Forsten Nistkästen angebracht , Untersuchungen an höhlenbrütenden Vögeln durchgeführt und Kontrollen zur Entwicklung forstschädlicher Insekten aufgenommen.

Bemühungen zum Schutz des Elbebibers (Castor fiber albicus ) reichen bis in das Jahr 1913 zurück. Seit dieser Zeit wurden im Gebiet Weiden angepflanzt und Biberrettungshügel  in der regelmäßig überschwemmten Aue angelegt. Im damaligen 1929 gegründeten und vom Bund für Vogelschutz unterhaltenen Schutzgebiet ist im Jahr 1932 eine " Staatlich anerkannte Muster- und Versuchsstation für Vogelschutz" vom Anhaltischen  Staatsministerium  eingerichtet worden. Sie wurde 1970 in  die Biologische Station Steckby am Institut für Landschaftsforschung und Naturschutz umgewandelt und dient seit 1990 als Vogelschutzwarte (vgl. DORNBUSCH, M. in Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt, 28. Jahrgang, 1991). Die weltweit anerkannte wissenschaftliche Arbeit in  dieser Station war Voraussetzung für die Ausweisung des Biosphären-Reservats "Steckby-Lödderitzer Forst" am 24.11.1979 mit zunächst 2000 ha Größe. Nach Anerkennung als Feuchtgebiet der RAMSAR-Konvention im Jahr 1980 erweiterte sich die Schutzfläche auf 3500 ha mit 500 ha Totalreservatsanteil. Weiter östlich wurden indes alte, seit 1926 bestehende Naturschutzgebiete , wie "Möster Birken", "Saalberghau" u.a. mit der etwa 14000 ha umfassenden "Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft"  zu einer Schutzzone vereint, so daß zunächst ein zweiteiliges Reservat von 17500 ha entstand, das am 29.01.1988 als "Middle Elbe Biosphere Reserve" von der UNESCO bestätigt wurde. Am 12.09.1990 wurde es im Rahmen des Nationalparkprogramms auf 43000 ha erweitert. Hierbei sind die beiden ehemals getrennten westlichen und östlichen Teilgebiete vereint worden.Darüber hinaus fand eine Erweiterung des Gebiets um ein ökologisch bedeutendes militärisches Übungsgelände und wertvolle Auenbereiche, wie die Kliekener Elbaue, statt. Seit 1997 gehört  das Gebiet zum Biosphären- Reservat "Flußlandschaft Elbe" mit insgesamt 375000 ha Fläche. Die lange Aufzählung erinnert daran, wie schon in sehr früher Zeit viele  Naturschutzmitarbeiter die Grundlagen  für das heute weltbekannte Schutzgebiet geschaffen haben. In der Zeit der politischen Wende haben sie mit dem notwendigen Spürsinn für nunmehr mögliche Veränderungen das Werk weiter befördert. In diesem Zusammenhang sei in besonderer Weise auf das Buch von Prof. Dr. Michael Succow und Mitarbeiter "Naturschutz in Deutschland",  SUCCOW, M. et al. 2012, aufmerksam gemacht.

Der Reiz der Mittleren Elbaue besteht wohl zuallererst in der engen Verzahnung von riesigen, naturbelassen erscheinenden Auenwäldern, wie sie in dieser Ausdehnung anderswo in Mitteleuropa nicht mehr vorkommen, mit weitläufigen , von uralten Hudeeichen bestandenen Wiesen und idyllisch angelegten Parks. Es ist eine überaus harmonische Kulturlandschaft, deren Prägung in die 2. Hälfte des 18. Jhdts. zurückreicht, als in Folge der Aufklärung kunstsinnige Anhaltische Fürsten, zuvörderst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau, gemeinsam mit berühmten Gartengestaltern und Architekten, wie Johann Friedrich Eyserbeck und Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff , mit dem Dessau-Wörlitzer Gartenreich die erste frühklassizistische  Kulturlandschaft  im engeren Mitteleuropa schufen.


 Flora und Fauna


Der Grundstock der Auenflora, vor allem der Wälder und Wiesen, ist zentraleuropäisch-euroasiatischer Prägung. Diese Arten sind als die vorherrschenden Bäume des Waldes bzw. als die dominierenden Gräser und Kräuter der Wiesen und Weiden auf allen Exkursionsrouten anzutreffen. Verwiesen sei in diesem Zusammenhang auf die unten angegebene, umfangreiche Literatur, in der die Flora und Fauna des Gebietes, charakteristische Pflanzengesellschaften, aber auch besondere Kleinode des Biosphären-Reservats wie der Kühnauer See und Kühnauer Park beschrieben werden.   Die pflanzengeographischen Kostbarkeiten sind subkontinentaler und submediterraner Herkunft. Sie finden im trocken-warmen mittleren Elbtal günstige Wachstumsbedingungen und siedeln bevorzugt in Rasen-Ökosystemen. Das östliche, subkontinentale Florenelement ist zu etwa 10% am Aufbau der Vegetation beteiligt. Im Grünland sind es Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), Brenndolde (Cnidium dubium), Echter Haarstrang (Peucedanum officinale), Wiesen-Alant (Inula britannica), Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), Rasen-Segge (Carex cespitosa), Spießblättriges Helmkraut (Scutellaria hastifolia) u.a. Auf den Dünen gehören Steppen-Königskerze (Verbascum phoeniceum), Gold-Aster (Aster linosyris) sowie Gemeine und Wiesen-Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris, P. pratensis) zu den östlichen Vertretern.

Das submediterrane Geoelement ist zum Teil mit sehr auffälligen Arten vertreten. Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula) und Aufrechte Waldrebe ( Clematis recta) seien hier als je ein Vertreter der Trockenrasen  bzw. des Waldes genannt.

Wie überall in der Aue begegnen uns typische Stromtalpflanzen, darunter Pappel-Seide (Cuscuta lupuliformis), Sumpf-Wolfsmilch (Euphorbia palustris), Kleinblütiges Springkraut (Cardamine parviflora) oder Hallers Schaumkresse (Cardaminopsis halleri).


Wenngleich auch die Vegetation am augenfälligsten die Landschaft prägt, so ist doch die reiche Fauna des Elbtals, und hier insbesondere die Vogelwelt, nicht zu übersehen. Besonders  zum Vogelzug im Herbst und Frühjahr ist die Aue  voller Leben. Eine große Zahl verschiedenster Enten, darunter auch seltenere Arten wie Löffel-, Knäk-, Spieß-, Schnatter- und Bergenten (Anas clypeata, A. querquedula, A. acuta, A. strepera und Aythya marila) gesellen sich zu ebenfalls raren Gästen wie Sing-und Zwergschwan (Cygnus cygnus, C.bewickii) oder Zwergsäger (Mergellus albellus)Außerordentlich ein- drucksvoll ist natürlich auch der Herbstzug der Gänse, allen voran der Saat- und Blässgänse (Anser fabalis, A. albifrons)Sie profitieren  von der strukturellen Vielfalt der Aue und  den sehr guten Nahrungsbedingungen in den noch reichlich vorhandenen Altwässern und Wassertümpeln. Es ist an dieser Stelle nicht möglich, Vollständigkeit zu erreichen. Hingewiesen sei aber noch  auf den scheuen Schwarzstorch (Ciconia nigra), der versteckt im Kronendach alter Eichen brütet und auf den Kranich (Grus grus), der wieder als Brutvogel im Gebiet vorkommt. Eine Freude ist es immer wieder, den Roten Milan (Milvus milvus) mit tief gegabeltem Schwanz (Gabelweihe) bei seinem charakteristischen Segelflug zu beobachten. Er ist der Charaktervogel der Aue und in der Regel häufiger als der Schwarze Milan (Milvus migrans).

Was wäre aber das Biosphären-Reservat ohne sein Wappentier, den Elbebiber (Castor fiber albicus ) . Er hat im Gebiet um Dessau , wo sich nach dem II. Weltkrieg die letzten Vorkommen in Deutschland fanden, dank der unermüdlichen Fürsorge vieler fleißiger Naturschutzhelfer überlebt und besitzt heute wieder  stabile Populationen in der Elb- und Havelaue. Angenagte Bäume lassen sich häufiger in der Aue finden. Schon seltener trifft man, und dann bevorzugt an Altwässern, auf die bekannten Biberburgen, in deren Geäst sich zuweilen auch "Untermieter" wie die Ringelnatter (Natrix natrix) aufhalten. Die bekannten Biberdämme, die zum Stau des Wassers angelegt werden, findet man eher versteckt  in angrenzenden, zum Fluß führenden Gräben. Die Wasserhaltung ermöglicht den Tieren den bequemen Transport von Weichholz zur Biberburg und bewirkt, daß der Eingang zur Wohnburg unter der Wasseroberfläche liegt.

  

Pflanzengesellschaften


Die Auenwälder des mittleren Elbtals haben überregionale Bedeutung. Es sind die größten, im direkten Überflutungsbereich des Flusses noch erhalten gebliebenen Bestände in Mitteleuropa. Stiel-Eiche (Quercus robur) als dominierende Art , Gemeine Esche (Fraxinus excelsior), Flatter- und Feld-Ulme (Ulmus laevis, U. minor), Winter-Linde (Tilia cordata), Gemeiner Hopfen (Humulus lupulus), Aufrechte Waldrebe (Clematis recta), Wild-Apfel (Malus sylvestris), Wildbirne (Pyrus pyraster) u.a. kennzeichnen den undurchdringlich erscheinenden Hartholz- Auenwald. Feld-Ahorn (Acer campestre) und Blutroter Hartriegel (Cornus sanguinea) weisen zudem auf das warme Lokalklima  des mittleren Elbtals hin.

Auf allen Exkursionsrouten ist der für die Elbaue typische Eichen-Ulmen- Hartholzauenwald (Querco-Ulmetum minoris) gut repräsentiert. Im Frühjahr hat er seinen besonderen Reiz durch die Vielzahl schön blühender Kräuter, darunter das Gelbe Windröschen und das Busch-Windröschen (Anemone ranunculoides, A. nemorosa).

Wer nur über wenig Zeit verfügt, sollte die alte Landstraße von Wörlitz nach Coswig zu einer kurzen Visite aufsuchen. Auf fast 3 km Länge durchfährt bzw. durchwandert man auf altem Pflaster den zu beiden Seiten dichten Wald. An der Elbe angekommen, kann man schließlich noch die alte Gierfähre zur Überfahrt nach Coswig nutzen. Gierfähren oder wie man auch sagen kann Gierseilfähren, sind ein altes technisches Kulturgut, deren Erhaltung von großem landeskulturellen Wert ist. Glücklicherweise sind an der Elbe noch einige dieser an einem langen Seil im Fluß verankerten und von der Kraft des strömenden Wassers getriebenen Fähren in Betrieb. Im Bereich der Mittleren Elbe sind es die Fähren bei Coswig und Aken, aber auch an der Saale bei Groß Rosenburg.  

Gut erreichbar ist der Steutzer Forst, der neben ausgedehnten Hartholz-Auenwäldern noch Reste der Silberweiden-Weichholzaue (Salicetum albae) mit schönen Beständen  der Silber- und Bruch-Weide (Salix alba, S. fragilis) aufweist. Vom Parkplatz an der Elbfähre sind es nur wenige Meter bis zu dem ausgedehnten Waldgebiet.


 Großkühnauer Elbaue


In der Großkühnauer Elbaue westlich von Dessau - die Exkursion soll im folgenden näher beschrieben werden -  finden sich ebenfalls ausgedehnte Auenwälder. Saalberghau, Großer Steinhau und Kühnauer Busch repräsentieren vom Querco -Ulmetum phalaridetosum  in nassen Flutmulden über die typische Subassoziation bis zum Querco-Ulmetum carpinetosum auf höher gelegenen Standorten alle Ausbildungsformen des Hartholz- Auenwaldes. Am Rande von Flutmulden wächst eine botanische Seltenheit, die Banat-Segge (Carex buekii). Die sehr auffällige Großsegge ist eine der vielen Auen-Arten mit subkontinentaler  Verbreitung. Seltene Geophyten wie Märzenbecher (Leucojum vernum) und Wiener Blaustern (Scilla vindbonensis), eine Unterart des Zweiblättrigen Blausterns (Scilla bifolia), gehören zur bunten Schar der Frühjahrsblüher. Ebenso selten sind Wald-Gedenkmein (Omphalodes scorpioides) und Knoten-Beinwell (Symphytum tuberosum ssp. nodosum). Unter den Sommerblühern ist besonders auf die Violette Sitter (Epipactis purpurata) zu verweisen, deren Areal zum Nordosten Deutschlands hin ausklingt.

Auf den Dünen im Saalberghau, den sogenannten Saalbergen, siedeln wie auch weiter westlich zwischen Klein-Kühnau und  Aken eine Vielzahl von Steppen- und Waldsteppenarten aus dem Südosten Europas. Sie bilden mit Sippen aus dem südlichen Europa charakteristische Trockenrasen-Phytozönosen. In erster Linie ist hier die Ohrlöffel-Leimkraut-Schwingel-Flur (Sileno-Festucetum) zu nennen, in der zahlreiche, sehr seltene Arten vorkommen. Unter ihnen hat die Pyrenäen-Sumpfkresse (Rorippa pyrenaica) im Gebiet ihren letzten mitteldeutschen Fundort. Ähnlich selten ist das Brillenschötchen (Biscutella laevigata ssp.gracilis), eine Unterart, die in Deutschland nur im Elbtal sowie im Unteren Saaletal vorkommt. Zu den weiteren  bemerkenswerten Arten der Saalberge und angrenzenden Flutrinnen gehören Ohrlöffel-Leimkraut (Silene otites), Stattliches Knabenkraut (Orchis mascula), Goldhaar-Aster (Aster linosyris), Salomonssiegel (Polygonatum odoratum), Berg-Haarstrang (Peucedanum oreoselinum), Heilziest (Betonica officinalis), Liegender Ehrenpreis (Veronica prostrata), Steppen-Königskerze (Verbascum phoeniceum), Alpen-Vermeinkraut (Thesium alpinum), Hügel-Meier (Asperula cynanchica), Weiße Schwalbenwurz (Vincetoxicum hirundinaria), Mauer-Felsenblümchen (Draba muralis), Duft-Mariengras (Hierochloe odorata), Rasen-Segge (Carex caespitosa), Glanz- Wiesenraute (Thalictrum lucidum) u.a.

Die zwischen Saalberghau und Grauem Steinhau gelegenen Hoyersdorfer Wiesen sind ein schönes Beispiel für die gestaltete Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft . Einzeln stehende Eichen und Wildobstbäume (Malus sylvestris, Pyrus pyraster), das sind Wild-Apfel und Wild-Birne, geben der Landschaft ein parkartiges Aussehen und sind, soweit es sich um alte Exemplare handelt, letzte Zeugen der ehemals beweideten Aue. Auch heute findet hier wieder eine extensive Weidewirtschaft statt.

Die Pflanzengesellschaften der Wiesen reichen von artenarmen Fuchsschwanz-Wiesen bis zu  Silau-Rasenschmielen-Wiesen (Sanguisorbo- Silaetum), Brenndolden-Wiesen (Cnidio-Deschampsietum) und Mädesüß- Hahnenfuß-Wiesen (Filipendulo-

Ranunculetum polyanthemae). Dementsprechend sind in den Beständen neben Wiesen-Fuchsschwanz (Alopecurus pratensis), Rasen-Schmiele (Deschampsia  cespitosa) und anderen Gräsern wechselfeuchter Standorte so auffällige Kräuter wie Großer Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), Wiesen-Silau (Silaum silaus), Kümmel-Silge  (Selinum carvifolia), Färberscharte (Serratula tinctoria), Sumpf-Brenndolde (Cnidium dubium), Kleines Mädesüß (Filipendula vulgaris), Vielblütiger und Goldschopf-Hahnenfuß (Ranunculus polyanthemos, R. auricomus), Kanten-Lauch (Allium angulosum), Gräben-Veilchen (Viola stagnina), Nordisches Labkraut (Galium boreale), Wiesen-Flockenblume (Centaurea jacea) u.a. teilweise gehäuft anzutreffen.

 

Kühnauer See


Der Kühnauer See  gehört zu den großen und bedeutenden Altwässern der Elbaue. Er entstand in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts,  als eine Reihe schwerer Hochwasser in Mitteleuropa den Lauf der Elbe verlagerten. Für das Jahr 1316 wurde ein  starkes Hochwasser für die Mulde beschrieben. In dessen Folge stauten  die von den Wassermassen mitgeführten Sedimente die Elbe an und zwangen sie, nördlich der Saalberge die Niederterrasse zu durchstoßen. Der alte, südlich gelegene Elblauf wurde dabei vom Fluß abgeschnitten und bestand nunmehr nur noch als Flutrinne. Der Kühnauer See war damit geboren und nahm als Altwasser seine weitere Entwicklung und zwar zunächst als direkte Flutrinne. Die Elbhochwasser durchströmten ihn in ost-westlicher Richtung mit hoher Geschwindigkeit, wobei grobkörniges Material abgesetzt wurde. Nach einer Vielzahl von Flußregulierungen nahm die Fließgeschwindigkeit ab,  wodurch es zur Sedimentation feinkörnigeren Materials kam. Auch änderte sich der Duchfluß, denn nach verschiedenen Deichbauten floß das Hochwasser nur noch über das im Norden gelegene Ober- und Unterbruch in den See. Der See wurde damit in erhöhtem Maße zur Sedimentfalle und verlandete rasch. Große Teile des Seebodens waren von einer etwa 3 m mächtigen Faulschlammschicht (Gyttia) bedeckt, zu deren Bildung natürlich auch die zunehmende Eutrophierung der Flußaue in den letzten 150 Jahren beigetragen hatte. Ein mitten durch den See vorgenommener Deichbau mit Schutt aus dem im II. Weltkrieg zerbombten Dessau  und der Betrieb einer Entenfarm in den 60 iger Jahren des vorigen Jahrhunderts haben schließlich zur vollständigen Veschlammung des Sees mit allen negativen Folgen für Wasserhygiene, Flora und Fauna geführt. In einem groß angelegten Sanierungsprogramm, gefördert durch Mittel des Landes und der Kommune sowie durch Fördermittel der Allianz-Stiftung zum Schutz der Umwelt, ist der See nach der politischen Wende umfangreich saniert worden. Dabei ist der aufgeschüttete Damm zurückgebaut und der See entschlammt worden. Alte, ehemals angelegte Inseln wurden rekonstruiert und sind heute wieder am Nordufer des Sees zu sehen.

Bei der Sanierung des Kühnauer Sees konnten aus dem Fördergut des Schwimmbaggers wichtige Hinweise auf die frühzeitliche Besiedlung gewonnen werden. Feuersteingeräte aus dem Mittel-Paläolithikum haben ein Alter von 200000 bis 70000 Jahren. Sie bezeugen damit einen Zeitraum, der vom Ende der Saale-Eiszeit bis zum Beginn der letzten Vereisung, der Weichsel-Eiszeit reicht. Eine mittelsteinzeitliche Axt, die aus der Geweihstange eines Rothirsches hergestellt wurde, belegt die Anwesenheit mesolithischer Menschen in der Auenlandschaft vor rund 11000 Jahren ( vgl.  Abb. 3 von KARL-HEINZ FRÄSSDORF im Sonderheft 1997 der Naturwissenschaftlichen Beiträge des Museums Dessau). 

Aus dem Neolithikum sind eine Reihe von Feuersteingeräten, darunter geschliffene Steinbeile aus dem Fördergut des Baggers geborgen worden. Die damaligen Bewohner siedelten vornehmlich auf Lößstandorten  der benachbarten Ackerlandschaft und suchten die Aue offenbar zur Jagd auf.

In der Bronzezeit und nachfolgenden Eisenzeit wurden auch die sandigen Böden der Talsandterrassen und Binnendünen der Aue als Siedlungsplätze genutzt. Sie lagen in unmittelbarer Nähe des Kühnauer Sees. Erste Rodungen von Auenwald zur Schaffung neuen Weidelandes können für diese Periode angenommen werden.

Am Südufer des Kühnauer Sees hebt sich, wie besonders im Luftbild gut erkennbar ist, eine bewaldete Wallanlage, die  Burg Kühnau, von den umgebenden Wiesen recht deutlich ab. Die seit der Völkerwanderungszeit hier siedelnden Slawen wurden im 10. Jahrhundert von den Deutschen unter Otto I. und Markrafen Gero nach Osten verdrängt. Zur Sicherung der Grenze an der Elbe wurden Burgen gebaut oder, wie im Fall der Burg Kühnau, aus slawischem Besitz übernommen. Funde aus slawischer und deutscher Zeit belegen diese Annahme. Der Ort Kühnau, das heutige Großkühnau, wird in einer Urkunde Otto I. erstmals aus dem Jahr 945 erwähnt. 

Der Kühnauer See ist eines der ältesten anhaltischen Schutzgebiete, ist er doch bereits 1927 als Biberschutzgebiet erklärt worden. Nach 1945 unterlag er durch die bereits genannte Aufschüttung des Dammes, der den Ost- und Westteil des Sees voneinander trennte und nur eine schmale Verbindung unter der Brücke freiließ, einer zunehmenden Eutrophierung. Eine Durchströmung war damit weitgehend unterbunden und nach Absinken des Grundwasserspiegels durch erhöhte Wasserentnahme, fielen im Sommer große Teile des Sees, besonders im Ostteil, trocken. Entenmast und und Intensivierung der Grünlandwirtschaft in der angrenzenden Aue beschleunigten den Eutrophierungsprozeß. Wurde der See bis 1945 noch regelmäßig entkrautet, so verlandete er nach Vernachlässigung dieser wasserwirtschaftlich bedeutsamen Maßnahme außerordentlich rasch. Infolgedessen verschwanden zuerst botanisch so wertvolle Arten wie Strandling (Litorella uniflora) und  Gewöhnliches Brachsenkraut 

(Isoetes lacustris), später auch Kleines und Großes Nixkraut (Najas minor, N. marina), Gemeiner Wasserschlauch (Utricularia vulgaris) und die für den See so bekannte Wassernuß oder Spitznuß, wie sie die Großkühnauer Dorfbewohner nannten, (Trapa natans). Schon seit einigen Jahren ist man bestrebt, mit Einbürgerungsprogrammen die Wassernuß wieder dauerhaft anzusiedeln, dabei stellten sich wie im Wörlitzer See erste Erfolge ein. Auch der Gemeine Wasserschlauch (Utricularia vulgaris) hat sich in den entschlammten Zonen des Sees wieder ausgebreitet. Die Renaturierungsmaßnahmen kamen auch den Röhrichtbeständen zugute, in deren Lücken hier und da Nadel-Sumpfsimse (Eleocharis acicularis) und auch das Braune Zypergras (Cyperus fuscus) siedeln.

Die Röhricht-Vegetation ist im Kühnauer See reich strukturiert. Sie wird vom Gewöhnlichen Schilf (Phragmites australis), Breitblättrigen und Schmalblättrigen Rohrkolben (Typha latifolia , T. angustifolia)  oder vom Wasser-Schwaden (Glyceria maxima ) dominiert. Scirpo-Phragmitetum bzw. Glycerietum maximae werden diese Gesellschaften genannt. Letztere Assoziation kommt in langzeitig überfluteten Uferbereichen vor und enthält demzufolge überflutungstolerante Arten wie Schwanenblume

(Butomus umbellatus) und ästigen Igelkolben (Sparganium erectum). Zum Wasserrand hin können Klein-Röhrichte (Sagittario-Sparganietum emersi) mit Gemeinem Pfeilkraut (Sagittaria sagittifolia), Einfachem

Igelkoben ( Sparganium emersum), Gemeinem Froschlöffel (Alisma plantago-aquatica), Fluß-Schachtelhalm (Equisetm fluviatile) und anderen bemerkenswerten Arten ausgebildet sein. Diese Gesellschaft besiedelt in ausgedehnten Beständen auch den Bruch-Graben. Er verbindet den Großkühnauer See mit der Elbe und ermöglicht mit Hilfe kleiner Schleusen eine gewisse Regulierung des Wasserstands im See. 

In der Schwimmblatt-Zone sei auf die Tausendblatt-Teichrosen-Gesellschaft (Myriophyllo-Nupharetum) , besonders aber auf die Krebsscheren-Gesellschaft (Stratiotetum  aloides) verwiesen, die nördlich und östlich der Fischerinsel noch in beachtlichen Beständen vorkommen. Der Gewöhnliche Schwimmfarn (Salvinia natans) kann in warmen Sommern größere Populationsdichten aufbauen und längere Uferstrecken vor und in Röhrichten besiedeln. Die Schwimmfarn-Gesellschaft (Spirodelo-Salvinietum) ist allerdings wegen der allgemeinen Gewässerverschmutzung stark gefährdet und daher insgesamt selten.

Im freien Wasser ist das Spektrum der submersen Arten überraschend groß. Krauses Laichkraut, Kamm-Laichkraut (Potamogeton crispus, P. pectinatus) und Ähriges Tausendblatt (Myriophyllum spicatum) sind für die eutrophen Bereiche zu nennen. Spitzblättriges und Stumpfblättriges Laichkraut (Potamogeton acutifolius, P. obtusifolius) sowie  das vom Aussterben bedrohte und nur noch in wenigen Altwässern vorkommende Kleine Nixkraut (Najas minor) gehören dagegen zu den Arten, die in den entschlammten, mesotrophen, weniger belasteten Seebereichen anzutreffen sind.

Die Vegetation des Kühnauer Sees wäre unvollkommen 

geschildert, hätte man nicht auf die Seggen-Rieder besonders am Nordufer des Sees verwiesen. Die Ufer-Segge (Carex riparia) gehört gemeinsam mit der Sumpf-Segge (Carex acutiformis) zu den charakteristischen Arten des Caricetum ripario-acutiformis.

Schlankseggen-Rieder (Caricetum gracilis) und Rohrglanzgras-Röhrichte (Phalaridetum arundinaceae) kommen in den länger überfluteten Senken vor. Das sehr nasse und undurchdringlich erscheinende Unterbruch nördlich des Sees ist von einem 

Wasserschwaden-Röhricht (Glycerietum  maximae) bestanden. 


 Kühnauer Park


Er ist der jüngste und  zwar auf Geheiß des anhaltischen Erbprinzen Friedrich und des Hofgärtners Georg Kilian ab 1805 geschaffene Park im Dessau-Wörlitzer Gartenreich. Gemeinsam mit der kulturgeschichtlich bedeutenden, neoromanischen Kirche von 1829, sie gilt als eine der ältesten Dorfkirchen dieser Art in Deutschland, und dem Schloß, heute Sitz der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz , schließt er sich mit seinem architektonischen Ensemble (Löwentor, Rittertor, Weinberghaus, Bruchsteinmauer, Obelisk) den weiter östlich gelegenen Parks Georgium und Luisium sowie dem Sieglitzer-, Oranienbaumer- und Wörlitzer Park an. Der Autor dieses Beitrags kannte übrigens die Frau des letzten Hofgärtners der Familie Kilian noch persönlich. Seine Mutter, Frau Anna Pötsch, geb. Junger, war bei der Familie des Hofgärtners  Kilian  in "Stellung". So bezeichnete man im damaligen Großkühnau das Arbeitsverhältnis. Selbstverständlich redete man Frau Kilian , wie das üblich war, mit "Frau  Hofgärtner" an.

Nach dem II. Weltkrieg wurde der Kühnauer Park in der Pflege stark vernachlässigt.  Die gärtnerischen Arbeiten erfolgten in erster Linie im Dessauer Georgium und in dem schon immer in der Besuchergunst weit vorn liegenden Wörlitzer Park . Der Kühnauer Park bot indes lange Zeit ein eher wüstes Bild. Von der Schönheit des Parks, wie wir Großkühnauer Schulkinder sie im Heimatkundeunterricht gelehrt und vorgestellt bekamen, war nicht mehr viel zu sehen.  Der Auenwald eroberte sein Territorium zurück. Sichtachsen zum See und zur Großkühnauer Kirche waren zugewachsen, Wege teilweise nicht mehr erkennbar, Tore und Plastiken mehr oder weniger stark beschädigt.

Ein deutlicher Wandel vollzog sich erst nach der politschen Wende, in deren Folge ab 1990 eine umfassende Sanierung des Parks möglich wurde. Kirche und Schloß konnten nunmehr restauriert werden, ebenso das von  Carlo Ignazio Pozzi in den Jahren 1819 bis 1820 errichtete Weinberghaus und die davor befindlichen Terrassen auf denen wieder alte Rebsorten wie Elbling, Weißer und Roter Gutedel, Traminer , Roter Portugieser u.a. angebaut werden. Von noch größerer Bedeutung war aber, daß mit der Herstellung der Sichtachsen und der Sanierung des zum Park gehörenden Kühnauer Sees mit seinen Inseln die alte Anlage wieder erkennbar wurde. Als typischer Auenpark wird er von geschlossenen Wäldern, weiträumigen Wiesen mit  einzeln stehenden Eichen, den sog. Solitär-Eichen, und Wildobstbäumen geprägt. Zum See hin vermitteln Gehölzgruppen und Baumreihen.  Exoten, darunter Weymouths-Kiefer  (Pinus strobus), Virginischer Wacholder (Juniperus virginiana), Sumpfzypresse (Taxodium distichum) u.a. sind eher selten. Dafür bereichern Speierling  (Sorbus domestica) und Wild - oder

Holz-Birnen, im heimatlichen Sprachgebrauch der älteren Großkühnauer als "Buschbirnen" (Pyrus pyraster) bezeichnet, die Artenpalette und schaffen mit Streuobstanlagen, die sich an vielen Orten im und am Park sowie in der angrenzenden Aue befinden , überaus reizvolle , farbenfrohe Tupfer. 

Wie kein anderes Landschaftselement verkörpern Streuobstanlagen den  Anspruch der Gestalter des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs , "das Schöne mit dem Nützlichen" zu verbinden. Heute stehen diese im Frühjahr reich blühenden Bäume entlang von Alleen, Wegen und Dämmen oder als Auen-Plantage wieder in der Gunst der Erholungssuchenden. Die Pflege der hochstämmigen Bäume inmitten der Überschwemmungswiesen ist sehr aufwendig. Andererseits läßt der Auen-Garten, in Großkühnau in einer dorfnahen Gemarkung als "Anger" benannt,  eine Beweidung, vorzugsweise mit Schafen, zu.  Die alten Apfel- und Birnen-Sorten, darunter "Jakob Lebel", "Adersleber Kalvill", "Halberstädter Jungfernapfel", "Gravensteiner", "Goldparmäne", "Gute Graue" (Graue Sommerbutterbirne), "Gellerts Butterbirne", "Boscs Flaschenbirne" oder "Gute Luise"  sind seit mehr als 100 Jahren oder noch früheren Datums  auf dem Markt. Streuobstwiesen  werden nur noch zu 10% bewirtschaftet. Sie sind damit außerordentlich gefährdet, was im Hinblick auf ihren ästhetischen Reiz und ökologischen Wert sehr bedauerlich ist. Noch schwerwiegender ist es aber, daß bedeutende Genressourcen verloren gehen. Alle Projekte , die dieses alte Kulturgut schützen, sind deshalb nicht hoch genug einzuschätzen und bedürfen unserer ganzen Aufmerksamkeit. In Großkühnau  hatte man nach dem II. Weltkrieg schon Plantagen mit  Spindel-Bäumen, oft auch Spindelbüsche genannt, angelegt. Hier ließen sich die kurzstämmigen Bäume auf schwachwüchsiger Unterlage einfacher pflegen und das Obst, ohne auf eine größere Leiter steigen zu müssen, pflücken. Dennoch blieben, wie im großelterlichen Anwesen des Autors, dem Gartenbaubetrieb Otto Junger, hochstämmige  Anlagen mit dazwischen liegenden Wiesenflächen, heute nennen wir es Streuobstanlagen, bestehen. Der Spindelbaum-Anbau wurde  zunächst noch wenig intensiv mit einer größeren Anzahl, heute schon weniger bekannter älterer Sorten betrieben, darunter "Charlamovsky", " Cox´ Orange", " Freiherr von Berlepsch", "Geheimrat Breuhahn", "Geheimrat Dr. Oldenburg", "James Grieve", "Schöner aus Nordhausen" oder "Zuccalmaglio". Eine damals in Baumschulen  angebotene Sorte des russischen Züchters Mitschurin  mit dem Namen " Kandil Kitaika" erwies sich als besonders frostbeständig.   Die  jungen Früchte dieser Sorte überstanden sogar schwerere Spätfröste.  In der notvollen Zeit nach dem II. Weltkrieg  baute man, das sei hier noch mitgeteilt, in den Spindelbaum-Anlagen zwischen den Baumreihen  Gemüse an, um die Fläche optimal zu nutzen. Vergleiche zu Streuobstbeständen mit Wiesen- oder sogar Ackernutzung, wie in Großkühnau in Notzeiten angesagt, lassen sich hier durchaus herstellen.   

Auf einem Hochwasserschutz-Damm führt der Weg vom östlichen Teil des Kühnauer Parks zum Kornhaus. Carl Fieger, ein Lehrer im Bauhaus und von 1921 bis 1934 im Architekturbüro von Walter Gropius tätig, hat die Gaststätte vom Oktober 1929  bis zum  Juni 1930 im Bauhaus-Stil erbaut. Der Name geht auf einen ehemaligen Getreidespeicher zurück, der sich bis 1871 in unmittelbarer Nähe befand. Das Kornhaus ist gemäß der Tradition des Bauhauses zweckbetont und funktionsbezogen  konzipiert. Es integriert den Elbwall und fügt sich mit dem gelungenen Nebeneinander von runden und geraden Flächen - der charakteristischen Handschrift des Architekten - harmonisch in die Landschaft ein.


 Exkursionsroute


Die Exkursion umfaßt  das Dünengelände der Saalberge, den Auwald und die Auwiesen nördlich von Großkühnau sowie den Kühnauer See und  den Kühnauer Park.  Ausgangspunkt könnte das Kornhaus in Dessau-Ziebigk sein, um von dort in nordwestlicher Richtung entlang des Elbbogens  bis zum Saalberghau zu gelangen und dann in südlicher Richtung Großkühnau zu erreichen. Die Exkursion läßt sich aber auch umgekehrt in Großkühnau beginnen. Man würde nach Besuch des Parks und Sees westlich den See umgehen und an der Badeanstalt vorbeikommend in nördlicher Richtung den Saalberghau mit den Saalbergen erreichen. Von dort gelangt man am Elbbogen entlang in südöstlicher Richtung zum Kornhaus.


 

Naturschutz und Landschaftsgestaltung in der mittleren Elbaue


 Fürst  Leopold III., Friedrich Franz  von  Anhalt - Dessau (1740 bis 1817), hat vor über 200 Jahren das Gartenreich an Elbe und Mulde in seinen Grundzügen geschaffen. Zuvor hatte sein Großvater, Fürst Leopold I., in Anhalt und Preußen als der "Alte Dessauer" bekannt, umfangreiche Hochwasserschutz-Dämme bauen lassen , die eine wesentliche Voraussetzung für die Gestaltung der späteren Kulturlandschaft  waren. Die Natur blieb dennoch in ihrer Schönheit erhalten. Sie wurde in ihrer Vielfalt durch die behutsam tätige Hand des Menschen sogar noch gefördert. Bunt blühende, reich strukturierte Auenwiesen, größtenteils mit herrlichen Eichensolitären sowie Äcker und Streuobstanlagen  verbinden Auenwald und  Auenparks harmonisch miteinander. Immer ging es dabei um die Verbindung des" Schönen mit dem Nützlichen". 

Mannigfaltig ist die zu schützende Natur. Die Vegetation wird durch viele subkontinentale und submediterrane Florenenelemente bereichert.  Mehr als 135 Arten stehen auf der Roten Liste der gefährdeten Arten Sachsen-Anhalts, davon sind 36 stark gefährdet und 9 vom Aussterben bedroht. Erinnert sei nochmals an Gemeine Kuhschelle, Wiesen-Kuhschelle (Pulsatilla vulgaris, P. pratensis), Brillenschötchen (Biscutella laevigata ssp. gracilis), Pyrenäen-Sumpfkresse (Rorippa  pyrenaica), Sibirische Schwertlilie (Iris sibirica), Banat-Segge (Carex buekii) und andere eingangs genannte Arten.

Unter den zu schützenden Tieren ist zweifellos der Elbebiber (Castor fiber albicus) am bekanntesten. Man trifft heute erfreulicherweise wieder überall auf seine Ansiedlungen. Auch der seltene Schwarzstorch (Ciconia nigra) kommt als Brutvogel auf versteckt stehenden Alteichen vor. 

Besonderen Schutz bedürfen die kulturhistorisch bedeutsamen Eichenwiesen. Wenn auch heute noch eine große Zahl sogenannter "Solitäreichen" , auch Hudeeichen genannt, das Bild der Auenwiesen und - weiden bestimmt, so ist doch ihr Bestand bedroht. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gepflanzt, waren sie seitdem lebendiger und unverwechselbarer Ausdruck des Dessau-Wörlitzer Gartenreichs und Zeugnis einer vom Menschen gestalteten Kulturlandschaft. Nachdem am Ende des 19. Jahrhunderts ihre Bedeutung für die Schweinemast entfiel, und auch die Beweidung der Wiesen zugunsten der Mahd  zurückging, wurden viele Alteichen gefällt. Erwähnt sei aber, daß  die Großkühnauer Forstbeamten in den Notzeiten nach dem II. Weltkrieg  streng darauf achteten , daß die Bäume von der Bevölkerung  nicht zur Brennholzgewinnung gerodet wurden. Man hat lediglich ein " Auge zugedrückt", wenn einige trockene Äste , sogenannte "Hornzacken", wie die Kühnauer sagten, entnommen wurden. Abholzungen, wie im Berliner Grunewald oder Tiergarten durch die frierenden Berliner geschehen, waren nicht vorstellbar.

Heute findet man auf den Elbwiesen hier und dort  Neuanpflanzungen von Eichen und Wildobstgehölzen. Es handelt sich dabei um kontrollierte Arbeiten im Rahmen der Landschaftspflege.

Der weithin bekannte und immer wieder gerühmte Hartholz-Auenwald, der seine Existenz der kurzzeitigen, aber regelmäßigen Überflutung verdankt, ist eine Perle der mittelelbischen Landschaft und in seiner Strukturvielfalt und Flächengröße für Mitteleuropa einmalig. Im Mittelalter durch Viehweide,  Laubschnitt  und Niederwaldbewirtschaftung arg in Mitleidenschaft gezogen, wurde er durch die am Ende des 19. Jahrhunderts aufblühende Forstwirtschaft in Hochwald überführt. Heute schätzen wir seine Artenvielfalt, darunter die reichen Bestände von Wildobstarten, die als eine wichtige Genressource für die Züchtung neuer Obstsorten  anzusehen sind. Derzeitige und künftige Pflegemaßnahmen beziehen sich auf die Förderung der Naturwaldbestockung und Zurückdrängung der Pappelhybriden-(Populus) , Rot-Eschen- ( Fraxinus pennsylvanica), und Schwarz-Erlen- (Alnus glutinosa)  Forste, die bis zu 10% der Fläche einnehmen. 

Die Parkanlagen, obgleich im Biosphärenreservat gelegen, befinden sich als zentrale Objekte der Denkmalpflege in Obhut der Schlösserverwaltung. Besonders der Wörlitzer Park ist ein Kleinod der Gartenkunst. Das klassizistische von Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff erbaute Schloß  und das Gotische Haus sind wohl die kunstgeschichtlich bedeutendsten Bauwerke. Der Park selbst ist dendrologisch außerordentlich reich ausgestattet und jedem Botaniker und Naturfreund zu empfehlen. Eine Exkursion vom Schloßgarten über den Weidenhäger zum berühmten Schoch´s Garten macht uns mit den wichtigsten Anlagen bekannt, die gemeinsam mit den östlich gelegenen Neuen Anlagen zu einem harmonischen Ganzen vereint sind. Wörlitzer See, Kleines Walloch, Wolfskanal und andere Gewässer sind malerisch in den Park eingefügt, Elbwiesen und Auenwald greifbar nah. Äcker sind Teile des Parks. Als

Gestaltungselemente des Landschaftsparks gehören sie dazu und greifen wie die Arme eines Kraken in den Park hinein. Andererseits reichen die Pflanzungen des Parks weit in die Landschaft. Fürst Franz hatte den neuen Gartenstil und die modernen landwirtschaftlichen und gartenbaulichen Methoden in England kennen gelernt. Mit der Gründung von Mustergütern  hob er die anhaltische Landwirtschaft auf ein für die damalige Zeit überdurchschnittliches Niveau. Es war ein wichtiger Teil des Dessau-Wörlitzer Reformwerks.

Auenwald, Auenwiese und Auenpark sind abhängig von einer intakten Flußaue. Die Elbe wurde zwar zwischen 1840 und 1860 durch Buhnen reguliert und an ihr Strombett gebunden. Ihre Hochwasser können aber noch über die Ufer treten und die Aue überfluten. Weitere Ausbaumaßnahmen müssen jedoch unbedingt zum Schutz dieser einmaligen Kulturlandschaft unterbleiben.

Elbe und Mulde gehörten bis zur politischen Wende zu den am stärksten verschmutzten und mit Schadstoffen aus Industrie und Landwirtschaft, aber auch aus den Kommunen, belasteten Flüssen. Dank umfangreicher Sanierungsmaßnahmen ist schon nach wenigen Jahren eine deutliche Verbesserung der Wasserqualität eingetreten, von der Pflanzen und Tiere profitierten. Diesen Zustand zu erhalten und ständig weiter zu verbessern ist in ökosystemarer Betrachtung von besonderer Wichtigkeit. Umwelterziehung  und Umweltbildung müssen deshalb nach wie vor einen hohen Stellenwert in unserer Gesellschaft behalten.  


 

Ausgewählte Exkursionen


 

1. Wörlitzer Elbaue           Park Wörlitz.. Landschaftspark in der 

                             Elbaue. Weltkulturerbe. Dendrologische
                                                    Besonderheiten. Landschaftsgestaltung. 

                        Architektur. Gierfähre bei Coswig. 

                           Biberfreianlage und Informationszentrum                                                Am Kapenschlößchen 3, Oranienbaum                                                  (Nördlich der Straße nach Dessau).                                                        Schloß und Park Luisium


 

   Vegetation                    Naturnahe Auenwäder und Auenwiesen


 

   Dauer                             Ganztagsexkursion


 

   Länge                             ca. 15 km


 

   Anreise                          Autobus oder Bahn 


 

   Rückfahrt                        wie Anreise


 

   Gastronomie                   Wörlitz, Oranienbaum, Dessau


 

2.  Großkühnauer                  Naturnahe Auenwälder und                          Elbaue                                          Auenwiesen.

                         Dünen. Altwässer (Kühnauer See).

                                                Streuobstwiesen. Kühnauer Park.                                                           Naturschutzstation Weinberghaus 

                                                           (Umweltkeller)


      Vegetation                             Pflanzengesellschaften der Hart- und

                               Weichholzaue, Trockenrasen,                                                                  Röhrichte,

                               Wasserpflanzen-Gesellschaften
 

    Dauer                                Ganztagsexkursion
 

    Anreise                              Autobus bis Großkühnau
 

    Rückfahrt                           wie Anreise
 

    Gastronomie                      Großkühnau, Dessau


 

3. Stechby-Lödderitzer           Elbaue bei Steutz und Steckby. 
    Forst                                     Naturnahe Auenwälder. Trockenrasen.                                                   Auenwiesen. Altwässer. Streuobst-

                                wiesen.     


       Dauer                                  Ganztagsexkursion


       Länge                                  ca. 12 km


      Anreise                               Bahn, Autobus bis Aken. Elbfähre 

                               (Gierfähre) bis Steutz.


     Rückfahrt                    wie Anreise


       Gastronomie                       Aken, Steutz, Steckby


 


 Literatur:


- HUNDT, R. : Die Silauwiesen des Biosphärenreservates Mittelelbe.   BFN-Scripten 214, Bonn-Bad Godesberg, 2007

- KÜSTER, Hansjörg und Ansgar HOPPE : Das Gartenreich Dessau-   Wörlitz. Landschaft und Geschichte.

 Verlag C.H. Beck, München, 2010

- NATURWISSENSCHAFTLICHE BEITRÄGE DES MUSEUMS   DESSAU. Der Kühnauer See bei Dessau - Gebietsdarstellung zum   Abschluß der Sanierung des Gewässers. Sonderheft 1997. Museum   für Natukunde und Vorgeschichte Dessau. (Autoren: Heidecke, H.   Geleitwort, Spittka, B. u. Bode, H. : Gewässerschutz und   Gewässersanierung in der Stadt Dessau. Reichhoff, L und Refior, K. :   Landschaftliche Entwicklung, Nutzung und Schutz des Kühnauer   Sees. Hinze, H.-P. : Siedlungsgeschichte am Kühnauer See.   Reichhoff, L und Warthemann, G. : Flora und Vegetation des   Kühnauer Sees. Patzak, U. : Die Vögel des Kühnauer Sees. Zuppke,   U. : Die Kriechtiere, Lurche und Fische des Kühnauer Sees.   Federschmidt, A. : Die Libellen des Kühnauer Sees. Lüderitz, V.   Berndorff, B. Langheinrich, U. Ziegler, R. und Lange, C. :   Nährstoffverhältnisse, Planktonbesiedelung und     Makroinvertebratenfaune im Kühnauer See. Reichhoff, L. und   Vahlteich, P. : Geschichte und Rekonstruktion des Kühnauer Parks.   Bode, H. Lott, K. und Merz, U. : Weinberghaus und Weinberg -  Rekonstruktion und Nutzung als Naturschutz-Informationszentrum   und öffentlicher Veranstaltungsbereich. Spittka, B. Hentschel,   P. Reichhoff, L. Pieper, K. und  Milde, W. : Planung und Durchführung   der Sanierung des Kühnauer Sees. Hentschel, P. : Die zukünftige   Entwicklung des Kühnauer Sees bei Dessau zum Beispielprojekt im   Biosphärenreservat "Mittlere Elbe". , Haenschke, W. : Ernst Lill 02.   04. 1912 - 10.10. 1995 zum Andenken. 

- REICHHOFF, L. : Das Biospärenreservat   Mittlere Elbe.   Autoren:     G. Dornbusch, M. Dornbusch, P. Hentschel, L. Reichhoff, U. Ruge, R.   Schelenz, S. Schlosser. Naturschutz im Land Sachsen-Anhalt 28.   Jahrgang, 1991

-SUCCOW, M., JESCHKE, L. und  KNAPP, H. D. ( Hrsg.):   Naturschutz  in Deutschland. Christoph Links Verlag  GmbH, 332 S. ,   Berlin, 2012

- WEISS, Thomas (Hrsg.) : Das Gartenreich an Elbe und Mulde.

  Ausstellungskatalog der gleichnamigen Ausstellung der Staatlichen     Schlösser und Gärten Sachsen-Anhalt. ( Beiträge u.a. von

 Günther, H.) : Das Gartenreich zwischen Dessau und Wörlitz .   Reichhoff. L. : Die Rekonstruktion des Großkühnauer   Landschaftsparks. Lott, K. : Der Obstbau im Gartenreich.Staatliche   Schlösser und Gärten Sachsen-Anhalt. Wörlitz . Oranienbaum.   Luisium, 1994  


 

5. Mittlere Havel bei Potsdam und Untere         Havel bei Gülpe und Strodehne       


Die Havel, vom Naturschutzbund Deutschlands als "Flußlandschaft der Jahre 2004/2005" deklariert, ist neben Mulde und Saale einer der bedeutendsten Nebenflüsse der Elbe. Im südlichen  Mecklenburg-Vorpommern  bei Ankershagen in einem der vielen Quellmoore des Müritz-Nationalparks entspringend, hat sie bis zur Mündung in die Elbe bei Gnevsdorf  ein außerordentlich geringes Gefälle von nur 41 m .

Sie durchfließt in ihrem Ober- und Mittellauf viele Seen. Diese sind im Berlin-Potsdamer Raum als Havelseen bekannt; Tegeler See, Wannsee, Templiner See und andere gehören dazu. Wie die Elbe war auch die Havel während der jahrelangen Trennung von Ost und West nicht überall zugänglich. 

Der "Eiserne Vorhang" durchschnitt die Berlin-Potsdamer Havelaue in schmerzlicher Weise, was besonders an der geschichtsträchtigen Glienicker Brücke deutlich wurde, die als Ort des Agenten- und Spionaustausches  im "Kalten Krieg" traurige Berühmtheit erlangte. Sehr  schlimm war es auch um die Sacrower Heilandskirche bestellt. Sie stand buchstäblich im Niemandsland und war, da sie weder vom "Osten" noch vom "Westen" erreicht werden konnte, dem Zerfall preisgegeben. Heute ist von alldem nichts mehr zu sehen, denn gleich nach dem Fall der Mauer ist die kulturhistorisch einmalige Potsdam-Berliner Kulturlandschaft mit ihrer Vielzahl von Schlössern und Parks im Jahr 1990 in die Weltkulturerbeliste der UNESCO aufgenommen worden.

Nirgendwo hat man übrigens  einen schöneren und zugleich umfassenderen  Blick auf diese einmalige, von berühmten Architekten und Landschaftsgestaltern  geschaffene Landschaft als von der Glienicker Brücke, wie überhaupt eine Fahrt von Berlin nach Potsdam, per Schiff oder  über die Königsstraße, heute wie früher am eindrucksvollsten ist. Die "Große Neugierde", ein architektonisch sehr ansprechender Rundbau des Architekten K. F. Schinkel im Schloßpark Glienicke " wüsste davon zu berichten", hatte man doch von hier den besten Überblick und konnte  "neugierig" alles Geschehen auf der vorbeiführenden Straße beobachten, übrigens auch nach der Grenzöffnung , als "die Westberliner" freudig und mit allerlei Geschenken von der Balustrade  der Großen Neugierde die Potsdamer begrüßten. 

Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff, Carl von Gontard, Karl Friedrich Schinkel, Ludwig Persius , Johann August Eyserbeck, Peter Joseph Lenné und Hermann von Pückler-Muskau haben als Architekten bzw. Gartengestalter die Potsdam-Berliner Kulturlandschaft im wesentlichen geprägt, wobei Peter Joseph Lenné mit seinem 1833 geschaffenen "Verschönerungsplan der Umgebung von Potsdam", die weit in die Zukunft weisende Idee hatte und den alten Wunsch des Großen Kurfürsten erfüllte, "Das gantze Eyland" in ein "Paradies" zu verwandeln, so jedenfalls empfahl es ihm Johann Moritz von Nassau-Siegen in einem Brief aus dem Jahre 1664 (Streidt, G. 1991).

Die Berlin-Potsdamer Havelseen  boten dabei mit den begrenzenden eiszeitlichen Grund-, Stauch- und Endmoränen sowie den angrenzenden Niederungen eine hervorragende natürliche Ausgangsposition. P.J. Lenné schuf auf dieser Grundlage nicht nur die verschiedenen Parks, sondern verstand es auch, naturnahe Räume in das Gesamtprojekt einzubeziehen. Als Beispiele seien das Gelände um Nicolskoe mit der Kirche St. Peter und Paul und dem Blockhaus gegenüber der Pfaueninsel  sowie der Wildpark, westlich von Potsdam, aber auch Agrarlandschaften wie die Lennésche Feldflur, nördlich von Bornim, genannt. Damit reihen sich, von der Pfaueninsel und dem Park Glienicke im Berliner Raum über die Parkanlagen Sacrow, Babelsberg, Neuer Garten und Sanssouci in Potsdam bis hin nach Caputh, ein gärtnerisches Kleinod mit den dazu gehörenden Kirchen und Schlössern wie die Perlen einer Kette aneinander. Die dazwischen liegenden Forst- und Agrarflächen sind die verbindenden Elemente. Sie  verschönern die Landschaft und machen sie wie die Lennésche Feldflur mit ihren Baumpflanzungen und blühenden Hecken ökolgisch und ökonomisch wertvoll. Dazu  P. J. Lenné : "Auch die glücklichste Landschaft ... kann durch die richtige Anwendung der Gartenkunst ... ästhetisch aufgeschmückt und ökonomisch verbessert werden" ( zitiert nach H. GÜNTHER, 1985). Das alles wäre natürlich nicht möglich gewesen, wenn nicht feinsinnige, der Kunst ergebene Bauherren wie zuvörderst Friedrich II., Friedrich Wilhelm II. und Friedrich Wilhelm IV. ihren Architekten und Gartengestaltern die nötigen Freiräume gegeben hätten. Friedrich II. und sein Architekt Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff oder Friedrich Wilhelm IV. und die Architekten Karl Friedrich Schinkel und Ludwig Persius seien hier besonders hervorgehoben.

Was wäre aber Potsdam ohne Sanssouci? Für unzählige Touristen aus aller Welt ist der Park mit seinen Schlössern und Gärten aus verschiedenen Stilepochen der erste Anlaufpunkt, und wenn es sich um Tagestouristen handelt, aus Zeitgründen auch leider der einzige. Das berühmte Schloß ließ Friedrich II. von seinem Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff auf einem eiszeitlichen Moränen-Hügel, dem Wüsten Berg, in den Jahren 1745 bis 1747 erbauen. Mit  der nach Süden geneigten Terrasse des nunmehr völlig neu gestalteten Hügels , des Weinbergs, hatte man das Schloß in die Havellandschaft eingebunden. Heute ist allerdings dieser einst schöne Blick durch die Bauten im Westteil der  Stadt stark verändert. Der Grundstein für alle späteren Verschönerungen der Landschaft war indes gelegt und der Park Sanssouci sollte wie die ganze Umgebung von Potsdam durch 

P. J.  Lenné seine unverwechselbare Handschrift bekommen. Geschwungene Wegeführungen und Wasserläufe, wohldurchdachte Geländestrukturen mit kleinen Erhebungen wie der Floraberg im Marlygarten mit  Blumenbeet und Flora- Plastik  oder eindrucksvolle Sichtachsen , wie zum Chinesischen Teehaus oder vom Schloß Charlottenhof auf das entfernt liegende Neue Palais, bestimmen die Parklandschaft ebenso wie die geometrisch gestalteten Anlagen des Sizilianischen- und Nordischen Gartens bzw. die Reste der alten Gartenanlage im Stil des Rokoko zur Zeit Friedrich II. an der großen Fontäne.  Die zwischen 1979 und 1983 rekonstruierten Weinbergterrassen lassen auch mit ihrer Bepflanzung weitgehend den originalen Zustand erkennen (STREIDT, G. 1991) und sind mit dem Schloß das wohl häufigste Fotomotiv. Oft beginnt man einen Parkspaziergang  am Eingang "Grünes Gitter" neben der Friedenskirche und durchwandert zuerst den von P. J.. Lenné gestalteten Marlygarten. Er wurde, wie M. SEILER (1999) sehr treffend beschreibt, " zu einer Visitenkarte Lennéscher Bodenmodellierung und Wegeführung , die eine Fülle tieferer Sinnzusammenhänge sichtbar machte".

Als gläubiger Christ mußte Friedrich Wilhelm IV. das Fehlen einer Kirche im Park Sanssouci immer schon als Mangel empfunden haben. Das drückte er auch in einem Schreiben vom 12. April 1845, zwei Tage vor der Grundsteinlegung der Kirche, an den evangelischen Bischof  R. F. Eylert mit den Worten aus : "Es scheint mir passend, eine Kirche, welche zu einem Pallastbezirk gehört, der den Namen Sanssouci, `ohne Sorge´ trägt, dem ewigen Friedefürsten zu weihen und so das weltlich negative : `Ohne Sorge´ dem geistlich positiven `Frieden´ entgegen - oder vielmehr gegenüber zu stellen" (EVANG. FRIEDENS-KIRCHENGEMEINDE POTSDAM, 1995). Er beauftragte mit dem Bau seinen Architekten Friedrich Ludwig Persius, der kurze Zeit vorher die Heilandskirche in Sacrow erbaut hatte. Die ganz und gar italienisch anmutende Kirche mit Säulengang, Atrium und Campanile, umgeben vom Friedensteich, in dessen Wasser sich die Kirche in wunderbarer Weise spiegelt, ist  wie der Marlygarten voller religiöser Symbolik (FISCHER, C.  2007; HERING, W.  2012) . Die Christuspforte mit dem beeindruckenden Christusbild oder das Atrium mit der überlebensgroßen, die Besucher zum Innehalten anregenden Statue des segnenden Christus gehören  dazu. Aber auch auf viele bedornte Bäume und Sträucher, darunter Stechpalme (Ilex aquifolium) und Berberitze (Berberis thunbergii),  die an das Leben und Leiden von Jesus Christus  erinnern, sei  hier hingewiesen. W. HERING (2012)  hat den Weg zur Friedenskirche und zum Marlygarten  als Meditationsweg  beschrieben und dafür den Titel: "Der Weg zum Paradies" gewählt. 

Der Marlygarten ist dendrologisch reich ausgestattet. H. GÜNTHER (1981) beschreibt in seinem Dendrologischen Führer " Gehölze in den Gärten von Sanssouci" allein für den Marlygarten weit über 100 Arten von  Bäumen und Sträuchern, darunter so bemerkenswerte Arten wie Kuchenbaum (Cercidiphyllum japonicum), Ginkgo (Ginkgo biloba), Guttaperchabaum (Eucommia ulmoides), Fieberstrauch (Lindera benzoin)  u.a. Zwischenzeitlich sind weitere  Arten angepflanzt worden, so  der Mönchspfeffer oder Keuschbaum (Vitex agnus-castus) mit zwei Exemplaren vor dem Atrium. Unter den Kräutern wird von W. FISCHER und J. PÖTSCH ( 1994) der seltene Finger- Lerchensporn (Corydalis solida) genannt und abgebildet.

Im Park Sanssouci lassen sich noch andere seltene Bäume finden; so bspw. der Judasbaum (Cercis siliquastrum) am Gebäude der Gartendirektion, die Fuchsschwanzkiefer (Pinus aristata) an den Römischen Bädern oder ein prächtiges Exemplar der Libanonzeder (Cedrus libani) im sogenannten Potentestück nördlich des Paradiesgartens. Sie wurde  als Geschenk des Sultans an Kaiser Wilhelm II. im Jahr 1917 gepflanzt. Auf weitere dendrologische Besonderheiten sei auf den oben genannten dendrologischen Führer von H. GÜNTHER verwiesen. 

Sehr beeindruckend sind im Park Sanssouci die bunt blühenden Wiesen. Sie werden ein- bis zweimal im Jahr gemäht und sind damit ökologisch mit jenen Wiesen  vergleichbar, die unter früherer landwirtschaftlicher Nutzung  in Gebirgen und im Flachland  die große Artenvielfalt hervorgebracht haben. Unter den heutigen intensiven Nutzungsbedingungen mit mehrmaliger Mahd oder intensiver Beweidung sind die meisten Grünlandarten in der freien Landschaft nicht mehr konkurrenzfähig. Sie haben dafür ein Refugium in unseren Parkanlagen gefunden. Auf dem Weg zum Chinesischen Teehaus und zu beiden Seiten des Wirtschaftsweges findet man diese Wiesen, die auf bodenfrischen Standorten  die typische Artengarnitur  der Glatthafer-Wiese (Dauco-Arrhenatheretum elatioris) zeigen. Glatthafer (Arrhenatherum elatioris) und Flaumhafer (Avenochloa pubescens), zwei hohe, dicht stehende Gräser bestimmen im Frühsommer vor der ersten Mahd das Bild. Ihnen sind Goldhafer (Trisetum flavescens), ein offenbar aus Gebirgswiesen mit dem dort gewonnenen Saatgut eingeführtes Gras, Wilde Möhre (Daucus carota) , Wiesenmargarite (Leucanthemum vulgare),  Wiesenprimel (Primula elatior), das selten gewordene Zittergras (Briza media), Wohlriechendes Ruchgras (Anthoxanthum odoratum), das dem trockenen Heu wegen seines Cumaringehaltes den charakteristischen Geruch verleiht, Körnchensteinbrech (Saxifraga granulata) und andere Arten beigesellt. Scharfer Hahnenfuß (Ranunculus acris) und Kuckuckslichtnelke (Lychnis flos-cuculi) bestimmen nacheinander im Frühjahr mit ihrer Blütenfülle den Aspekt und tauchen die Wiesen in ein kräftiges Gelb bzw. auffälliges fleischfarbenes Rosa. FISCHER, W. und J. PÖTSCH (1994) gehen in dem Buch "Botanische Wanderungen  in Berlin und Brandenburg" näher auf die Pflanzengesellschaften im Park Sanssouci ein. Sie verweisen dabei auch auf viele wärmeliebende Arten , die früher auf Trockenhügeln des Havellandes häufig anzutreffen waren, heute aber bei stärkerer anthropogener Beeinflussung  oder Standortverlust dort nicht mehr oder doch nur vereinzelt vorkommen. Viele von ihnen haben in den Trockenrasen nördlich des Schlosses Charlottenhof oder östlich des Neuen Palais ein Refugium gefunden. Eine ganze Fülle von Arten, wie Niedrige Segge (Carex humilis), Zierliches Schillergras ( Koeleria gracilis), Aufrechte Trespe (Bromus erectus), Nickendes Leimkraut (Silene nutans), Heide- und Karthäusernelke (Dianthus deltoidesD. carthusianorum), Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre), Gemeiner Thymian (Thymus pulegioides), Echtes Labkraut (Galium verum), Großer und Liegender Ehrenpreis (Veronica teucrium, V. prostrata), Taubenskabiose (Scabiosa columbaria) und andere können hier genannt werden.Sie verweisen auf Pflanzengesellschaften, die als Heidenelken-Schafschwingelrasen (Diantho-Armerietumund Ohrlöffelleimkraut-Rauhblattschwingel-Rasen (Sileno-Festucetum trachyphyllae)  in die Literatur eingegangen sind.

Im Rehgarten, einem  mit viel Wald bestandenen Parkteil  zwischen dem Neuen Palais und Schloß Sanssouci kann man ahnen, wie früher die Natur auf den ehemaligen Talsandebenen beschaffen war, bevor der Park angelegt wurde. Die natürliche  Waldgesellschaft war ein Stieleichen-Hainbuchenwald  (Lathraeo-Carpinetum) auf grundwasserfeuchten, stärker humosen Standorten. Den namengebenden Laubbaümen , Stieleiche (Quercus robur) und Hainbuche (Carpinus betulus), waren Rotbuche (Fagus sylvatica), Bergahorn (Acer pseudoplatanus), Flatterulme (Ulmus laevis) und andere Gehölze beigemischt, wobei die Rotbuche auf Grund gartengestalterischer Aspekte viel stärker vertreten ist als im ursprünglichen  Laubmischwald. Die Blutbuche (Fagus sylvatica  f. purpurea, eine Farbmutante der Rotbuche, war ursprünglich nicht vorhanden, desgleichen auch andere Mutanten wie die Hängebuche (Fagus sylvatica f. pendula), von der es  besonders schöne Exemplare an den Römischen Bädern und am Schloß Charlottenhof gibt. Sie wurden als Ziergehölze gern in den Parkanlagen gepflanzt.   

Im Frühjahr ist der Rehgarten ein einziges Blütenmeer. Buschwindröschen (Anemone nemorosa), Gelbes Windröschen (Anemone ranunculoides), Leberblümchen (Hepatica nobilis), Mittlerer Lerchensporn ( Corydalis fabacea), Schuppenwurz (Lathraea sqamaria), Echte Sternmiere ( Stellaria holostea), Waldveilchen (Viola reichenbachiana) und andere entfalten ihre Blätter und Blüten in der wärmenden Frühjahrssonne ehe die Blätter der Sträucher und Bäume ihre Schatten werfen. Später blühen  Maiglöckchen (Convallaria majalis), Vielblütige Weißwurz (Polygonatum multiflorum), Waldbingelkraut  (Mercurialis perennis) , Goldnessel (Galeobdolon luteum), Ährige Teufelskralle (Phyteuma spicatum) und andere Kräuter neben Gräsern wie Flatterhirse (Milium effusum), Waldzwenke (Brachypodium sylvaticum), Einblütiges und Nickendes Perlgras (Melica uniflora, M. nutans) oder Riesenschwingel( Festuca gigantea).

Zwischen Chinesischem Teehaus und Freundschaftstempel findet man auf nährstoffarmen, bodensauren  Standorten  eine andere Waldgesellschaft, den Frauenhaar-Stieleichen-Hainbuchenwald (Polytricho-Carpinetum).  Sie wird, wie es im Namen zum Ausdruck kommt, von der Hainbuche und einem auffälligen Moos, dem Goldenen Frauenhaar (Polytrichum formosum) charakterisiert. Gemeines Habichtskraut (Hieracium lachenalii), Bergplatterbse 

(Lathyrus montanus), Schattenblume (Majanthemum bifolium),  Gemeine Goldrute ( Solidago virgaurea), Vielblütige Hainsimse (Luzula multiflora), Drahtschmiele ( Avenella flexuosa) und  Adlerfarn (Pteridium aquilinum) sind hier weitere, häufiger anzutreffende Arten. 

Die bunte Schar der im Park Sanssouci vorkommenden Wildpflanzen bezeugt, daß unseren Parkanlagen  eine wichtige Erhaltungsfunktion für die in der freien Natur gefährdeten Arten zukommt. Auf Spaziergängen  können wir ihre Schönheit bewundern, aber auch ihre Lebensstätte kennen lernen und damit etwas von ihren ökologischen Ansprüchen erfahren. Die zumeist gut ausgebildeten Pflanzengesellschaften sind in der freien Landschaft oft nur noch in Schutzgebieten vorhanden. Es sei hier ergänzend vermerkt, daß im Botanischen Garten der Universität Potsdam  von Mitgliedern der " AG Erhaltungskulturen" unter Leitung des Sprechers  der Arbeitsgruppe und Kustos des Botanischen Gartens, Dr. Michael Burkart, gefährdete und vom Aussterben bedrohte, heimische Pflanzenarten kultiviert werden. Nach erfolgreicher Vermehrung können sie bei Bedarf in Absprache mit Fachverbänden und Naturschutzbehörden wieder ausgewildert werden. Es handelt sich hierbei um ein wissenschaftliches Programm, dem in unserer Region  u.a. auch der Botanischen Garten Berlin-Dahlem  und der Forstbotanische Garten Eberswalde angeschlossen sind.


 

Exkursionsrouten


 Der Glienicker Schloßpark, der Park Babelsberg und der Neue Garten

sind gut von der Glienicker Brücke aus erreichbar. Zu ihr gelangt man vom S-Bahnhof Berlin-Wannsee oder von der Station Potsdam Hbf. mit dem Bus oder mit der Straßenbahn. Der Park Sanssouci wird in der Regel vom Luisenplatz in Potsdam aus aufgesucht. In seiner Nähe befinden sich die Parkeingänge "Grünes Gitter" und "Obelisk". Für jeden Parkbesuch muß man mindestens einen halben Tag einplanen; für den Park Sanssouci besser einen ganzen Tag.

Vom Grünen Gitter her kommend hatte man übrigens in früherer Zeit eine völlig andere, uns heute fremd anmutende Sicht  auf das Schloss Sanssouci.

Das untere über 60 Jahre alte und nunmehr schon historische  Foto aus der Zeit vor der Rekonstruktion der Weinbergterrassen zeigt noch deren volle Verglasung.

 

 

 

Das Gebiet der Unteren Havel ist wie kaum eine andere Region außerordentlich dünn besiedelt, dafür aber voller Naturreichtümer. Vergleicht man die Bilder aus dem Raum Gülpe-Strodehne, einem noch sehr naturnahen Gebiet, mit denen aus der soeben behandelten Potsdam-Berliner Auenlandschaft, so kann der Unterschied nicht größer ausfallen. Und doch ist auch hier einst alles ähnlich gewesen, denn  die Umgebung von Potsdam und Berlin war von jeher sehr waldreich, aber voller Sümpfe und ungeregelter Wasserläufe, besonders dort , wo Spree und Nuthe  in die Havel mündeten.

Die moderne  landwirtschaftliche Entwicklung ist natürlich nicht spurlos an der Unteren Havelaue vorüber gegangen. Auch hier fanden in den 1960 er Jahren, ähnlich wie in anderen großen benachbarten Niederungsgebieten, landwirtschaftliche Intensivierungsmaßnahmen mit Wiesenumbrüchen und Neuansaaten statt. Verwiesen sei auf das Fiener Bruch, südlich von Genthin oder das nahe gelegene Rhin- und Havelluch.   Die hier gezeigten Bilder vom Fiener Bruch (PÖTSCH, J. 1962) machen deutlich, wie schnell die Entwicklung in der Landwirtschaft voranging. und welches Ausmaß die Veränderungen auf den Wiesen und Weiden hatten. Botaniker und Ökologen  von den Universitäten und Hochschulen waren dabei ebenso überrascht wie die Mitarbeiter aus den großen landwirtschaftlichen Betrieben, und so haben wir von beiden Seiten versucht, in groß angelegten Feldversuchen, wie im unteren Bild aus dem Jahr 1968 erkennbar, den ökonomischen Wert solcher Maßnahmen kritisch zu beleuchten und auf alternative ökologische Parameter aufmerksam zu machen. Seit geraumer Zeit, die Anfänge gingen mit der politischen Wende in unserem Land einher, ist man bemüht, der Natur wieder ihr Recht einzuräumen und Fluß- und Niederungslandschaften zu renaturieren.

Der Unterlauf der Havel umfaßt ab Brandenburg etwa noch ein Drittel des Einzugsgebietes. Stauhaltungen mit Schleusen und Wehranlagen, darunter Nadelwehre, wie sie auch heute noch  vorhanden sind und, wenn nötig, unter strengen Auflagen des Denkmalschutzes restauriert werden sowie viele kanalisierte Abschnitte verweisen auf frühere Regulierungsmaßnahmen. Sie waren notwendig, weil Elbe und Havel unterhalb von Havelberg über eine längere Strecke dicht nebeneinander fließen. So kam es bei Hochwasser der Elbe regelmäßig zu einem Rückstau von Elbwasser in die Havel mit riesigen Überschwemmungen. Aus diesem Grund sind schon seit Anfang des 12. Jahrhunderts Hochwasserschutzdeiche errichtet worden. Von besonderer Wichtigkeit waren Maßnahmen, die ein größeres Gefälle und eine höhere Abflußgeschwindigkeit des Havelwassers bewirkten. Um  dabei eine bessere Vorflut zu erreichen, war letztendlich  eine Verlegung der Havelmündung weiter elbabwärts über den Gnevsdorfer Vorfluter bis Gnevsdorf notwendig. In diesem Zusammenhang entstanden für die damalige Zeit imposante Bauwerke, wie die Schleuse bei Havelberg, vor allem aber die technisch beeindruckenden Wehre bei Quitzöbel und Gnevsdorf. Die Arbeiten begannen in den 1930 er Jahren und wurden nach dem II. Weltkrieg im Jahr 1956 abgeschlossen.  Mit den Wehren läßt sich der Abfluß des Havelwassers regulieren, andererseits aber auch Elbwasser in die Havelaue aufnehmen, um Hochwasserspitzen zum Schutz weiter elbabwärts gelegener Städte und Dörfer abzufangen, wie es bei den Extrem - Hochwassern der Elbe  in den Jahren 2002 und 2013 nötig war, als das Wehr Neuwerben geöffnet wurde, um Elbhochwasser in die Havelpolder abfließen zu lassen ( TÖLLE, L. 2012); LANDESAMT für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz, Brandenburg, Hochwasserinformation 7, 2013). 

Die in den 1960 iger und 1970iger Jahren erfolgte und damals als Komplexmelioration bezeichnete Anlage von Poldern, Deichen, Entwässerungsgräben und Schöpfwerken zog eine intensive Landnutzung mit sich, die zu tiefgreifenden  Veränderungen der Ökosysteme führte. So wurde Feuchtgrünland, nachdem man durch Wasserstandsregulierung die Standorte für optimal bewirtschaftungsfähig wähnte, in Ackerland umgewandelt oder es kam nach Wiesenumbruch zur Ansaat von Leguminosen oder Kulturgräsern. Damit erzielte man zwar kurzfristig die gewünschten hohen Erträge, auf längere Sicht waren jedoch die hoch gezüchteten Kultur-Arten gegenüber wechselnder Nässe und Trockenheit empfindlich und es kam zu hohen Ertragsausfällen. Heute strebt man eine ökologisch begründete Flächennutzung mit naturnaher Grünlandbewirtschaftung an.

In naturnahen Bereichen der Unteren Havelaue, wo durch erschwerte Zugänglichkeit der Wiesen und Weiden eine intensivere landwirtschaftliche Nutzung nicht möglich war, bspw. im Gebiet um Gülpe, blieb eine artenreiche Vegetation erhalten. Hingewiesen sei besonders auf die hier abgebildete Brenndolden-Rasenschmielen-Wiese (Cnidio-Deschampsietum). Zahlreiche Autoren, darunter viele Diplomanden und Doktoranden der Universität Potsdam, haben in teils von der deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekten die Vegetation bearbeitet (MÜLLER-STOLL, W. und PIETSCH, W. (1985), FISCHER, W. et al. (1995), BURKART, M. und PÖTSCH, J. (1996), SCHELSK, A. (1997), BURKART, M. (1998), BURKART, M. et al. (1998), WATTENBACH, M. (1999), WICHMANN, M. und BURKART, M. (2000) u.a. Darüber hinaus wurde im Band 2 der Botanischen Wanderungen in deutschen Ländern von FISCHER, W. und PÖTSCH, J. (1994) sowie in einem sehr detaillierten Exkursionsführer von BURKART, M. et al. (2011) die Vegetation in der Umgebung von Gülpe ausführlich und mit Angabe des Exkursionsweges beschrieben.

Im Vergleich zur weiter oben beschriebenen mittleren Elbaue bei Dessau treten in der Havelaue, und das trifft auch für den hier zu betrachtenden, naturnahen Bereich zu, Auenwälder stark zurück. Das hat vor allem anthropogene Ursachen, weil Wälder zum Zwecke einer landwirtschaftlichen Nutzung stark zurückgedrängt worden sind. Die in früherer Zeit sicherlich in größerer Ausdehnung vorgekommenen Weichholz-Auenwälder (Salicetum albae) werden heute nur noch durch  wenige, meist einzeln stehende Weiden und Pappeln, die vorrangig flußbegleitend vorhanden sind, repräsentiert. Besonders gefährdete  Arten, wie die Röhricht-Brennessel (Urtica kioviensis) lassen sich in den Weidenwäldern und  -gebüschen vereinzelt finden.

Einer Hartholzaue, wie wir sie von der mittleren Elbaue her kennen, stand dagegen die geringe Fließgeschwindigkeit der Havel und die damit verbundene lang andauernde  Überflutung der Standorte nach Hochwasserperioden  entgegen. Das ließ sich auch aus Pollendiagrammen ableiten, die über einen Zeitraum von mehr als 9000 Jahren  Auskunft geben. Sie wurden in einer Flutmulde in der Nähe der Ökologischen Station der Universität Potsdam in der Gülper Havelaue gewonnen SCHELSKI, A. (1997), KÜSTER, H. und PÖtSCH, J. (1998). Die Untersuchungen wurden durch eine Diatomeenanalyse aus den gleichen Sedimenten von SCHÖNFELDER, I. (1997) ergänzt. Es zeigte sich, daß die  gewohnte Zonierung von Weichholz- und Hartholzaue aus hydrologisch-ökologischen Gründen  nicht für alle Teile der mitteleuropäischen Flußauen zutrifft. Die typischen Wälder der Hartholzaue benötigen zwar eine regelmäßige Überflutung, doch muß das Hochwasser wieder nach kurzer Zeit ablaufen, und es darf keine langzeitige Eisbedeckung auftreten, Bedingungen, die letzlich nur bei schnell strömendem Flußwasser  gegeben sind. Immerhin sind im Jederitzer Holz mit 250 ha  und im Havelberger Mühlenholz mit etwa 40 ha Fläche sowie in einzelnen zerstreut liegenden, noch kleineren Flächen Reste der für die Hartholzaue typischen Waldgesellschaft, des Eichen-Ulmen-Waldes, vorhanden.  Neben den charakteristischen Auenwald-Arten wurden in diesen Biotopen  auch Stickstoffzeiger wie Urtica dioica, Galium aparine u.a. festgestellt, die auf Störungen durch benachbarte, anthropogen stärker beeinflußte Ökosysteme hinweisen (WATTENBACH, M.1999).

Überaus beeindruckend und von großem floristischen Wert sind die vielen auffällig blühenden Arten der Brenndolden-Rasenschmielen-Wiese (Cnidio-Deschampsietum). Es handellt sich um eine typische Pflanzengesellschaft der Flußauen, die bei einer mittleren Überflutungsdauer von 120 Tagen keine intensivere landwirtschaftliche Nutzung verträgt. Durchschnittlich 30 Arten, manchmal aber auch fast doppelt so viele, lassen sich auf einer Fläche von 10 Quadratmetern finden. Auenlehm ist das typische Substrat, auf dem diese Bestände gedeihen, höher gelegene Bereiche mit sandigen Substraten werden ebenfalls noch toleriert. Die Standorte sind typisch wechselfeucht. Hohe Grundwasserstände im Winter und Frühjahr wechseln mit sehr niedrigen  im Sommer. Der Boden kann demzufolge oberflächlich stark austrocknen und die Wasser- und  Nährstoffaufnahme der Pflanzen erschweren. Viele Arten, darunter die Rasenschmiele (Deschampsia cespitosa) kommen mit diesen Bedingungen  gut zurecht und gelten daher als Wechselfeuchtigkeitszeiger. Diese besonderen ökologischen Verhältnisse lassen sich auch am Bodenprofil studieren, das einen typischen Gleyhorizont mit einer oberen rostfleckigen Zone, herrührend von oxidierten Eisenverbindungen, von einer unteren grauen Zone mit nicht oxidiertem Eisen erkennen läßt. Die Oxidationsprozesse können nur sommers in den luftgefüllten Poren der oberen Bodenschichten bei niedrigen Grundwasserständen stattfinden. Auf wechselfeuchten Standorten wachsen mitunter Arten trockener und feuchter Biotope, wie das  Echte Labkraut (Galium aparine) und die Sumpf-Schafgarbe (Achillea ptarmica), nebeneinander. Der Sommeraspekt der Brenndolden-Rasenschmielen-Wiese mit Brenndolde (Cnidium dubium), Großem Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis), Färberscharte (Serratula tinctoria), Teufelsabbiß ( Succisa pratensis), Blauweiderich (Pseudolysimachium longifolium) und anderen charakteristischen  Arten zeigt die breite Farbpalette dieser bunten Wiese, von der eine große Schar von Schmetterlingen angelockt wird und in der in angrenzenden, tiefer gelegenen Flutrasen  im Frühjahr viele Limicolen ihre Nahrung finden. Die floristische Vielfalt wird  durch weithin gefährdete Stromtalpflanzen wie Helmkraut (Scutellaria hastifolia), Gräben-Veilchen (Viola stagnina) u.a. ergänzt.  Insgesamt gesehen, kommt dem hier  betrachteten Ökosystem ein hoher Schutzwert zu, weshalb es auch im Rahmen der FFH-Richtlinie als ein europaweit geschütztes Habitat gilt. Naturschutzgesetzgebung, darunter der Schutz des Gebiets als" Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung" im Rahmen der RAMSAR-Konvention und Schutzbestimmungen im Naturpark Westhavelland  sind Gewähr dafür, daß alle Rahmenbedingungen für den Erhalt dieses einmaligen und für die Untere Havelaue so charakteristischen Ökosystems beachtet und befolgt werden.

Auf die Vielfalt der übrigen Pflanzengesellschaften, bspw. der sehr reich differenzierten Flutrasen-Assoziationen , in denen u.a. an stärker gestörten Standorten die  seltene Schwarzblütige Binse (Juncus atratus)  aber auch  das Gottesgnadenkraut (Gratiola officinalis) vorkommen, kann in diesem Rahmen nicht näher eingegangen werden. Hier sei auf die angegebene Literatur und dabei besonders auf die Arbeiten von BURKART, M. (1998) und BURKART, M. et al. (2010) verwiesen.

Die Untere Havelaue und zuvörderst der hier näher betrachtete Raum um  Gülpe mit seinem Kleinod, dem Gülper See, war von jeher für Zoologen, in Sonderheit aber für Ornithologen ein Eldorado. Die alte Bockwindmühle aus dem Jahr 1773 am Gülper See, seit Jahrzehnten Außenstelle der Ökologischen Station Gülpe der Universität Potsdam, dient als Beobachtungsstation und zog mit dem Gründer der Station,

Prof. Dr. Erich Rutschke, Studenten, Doktoranden, Heimatforscher und Kollegen aus vielen Ländern an. Im Literaturverzeichnis wird auf wichtige Arbeiten aus dieser Zeit verwiesen.

Das NSG "Gülper See" gehört  zu den älteren Naturschutzgebieten in Deutschland. Die alte Verordnung aus dem Jahr 1967 wurde am 01.07.2010 durch eine neue ersetzt, wobei Vorgaben der europäischen Union berücksichtigt und Maßgaben zur landwirtschaftlichen Nutzung konkretisiert wurden. Das Naturschutzgebiet liegt im 1998 gegründeten Naturpark Westhavelland, der mit einer Fläche von 1315 km² als das größte zusammenhängende Feuchtgebiet des europäischen Binnenlands anzusehen ist. Im Gebiet um Gülpe und hier besonders am flachen Südufer des Gülper Sees rasten während des Vogelzugs oft bis zu 200000 Wildgänse und andere Zugvogelarten. Es ist damit eines der größten Binnenrastplätze. Auch als Kranichschlafplatz hat das Gebiet in letzter Zeit zunehmend an Bedeutung gewonnen (DIETZ, D. 2014). Das gilt auch für den Biber (Castor fiber albicus), der seit 1964 von der Mittleren Elbe aus wieder in das Gebiet der Unteren Havelniederung eingewandert ist und inzwischen in einer stabilen Population von etwa 50 Tieren an zahlreichen Orten im Gebiet vorkommt (ROTHE, H. 2014). 

Der Naturpark Westhavelland mit seinen einzigartigen Naturlandschaften, vielen seltenen Pflanzen und Tieren und dem Kampfläufer (Philomachus pugnax) als Wappentier gehört im übrigen, und das macht die Gegend für viele Hobbyastronomen so attraktiv, nachts zu den dunkelsten Orten in Deutschland. Deshalb hat am 09.02.2014 die International Dark Sky Association (IDA) den Titel "Dark Sky Reserve" - Sternenpark an den Naturpark verliehen. Zu jener Zeit war bezeichnenderweise am Nachthimmel der Gülper Havel ein Polarlicht zu sehen. Dieses in unseren Breiten sehr selten zu beobachtende Naturphänomen hat sicher zu einer weiteren Aufwertung dieser einzigartigen Naturregion beigetragen. Und das unweit des Lichtermeeres von Berlin!

Unterhalb der Havelmündung am rechtsseitigen Elbufer liegt das Dörfchen Rühstädt. Es ist durch seine Vielzahl von Weißstörchen (Ciconia ciconia) bekannt geworden, die in den Feuchtwiesen der Elbaue reichlich Nahrung finden. Naturbegeisterte Einwohner und Naturschützer haben den Störchen eine große Zahl von Nisthilfen gebaut, die man bei einem Dorfspaziergang überall auf  Scheunen oder auf dem Dach des alten Wasserturms sehen kann. Rühstädt hat deshalb zurecht im Jahr 1996 von der Stiftung Europäisches Naturerbe (Euronatur) den Titel "Europäisches Storchendorf" verliehen bekommen. In jenem Jahr brüteten in Rühstädt 44 Storchenpaare!

Wie im botanischen Teil kann auch hier auf die Vielzahl der zoologischen Arbeiten im Rahmen dieser Darstellung nicht eingegangen werden. Mein langjähriger, verdienstvoller Mitarbeiter Dr. Ralph -Udo Mühle hat neben vielen anderen Autoren in mehreren Publikationen die Fauna der Unteren Havelniederung beschrieben und, das sei hier besonders erwähnt, auch gemeinsam mit Kollegen aus veterinärmedizinischen Bereichen virologische und bakteriologische Untersuchungen an Zugvögeln durchgeführt. Es ist eine Problematik, die besonders an großen Vogel - Rastplätzen, wie dem Gülper See, biologisch-veterinärmedizinische Forschungsarbeiten geradezu herausfordert. Im Literaturverzeichnis werden diese Arbeiten genannt.


Das hier beschriebene Exkursionsgebiet der Unteren Havelniederung

ist am besten von Gülpe bzw., wenn es sich um Beobachtungen am Gülper See handelt, von Prietzen aus zu erreichen. Die Anreise erfolgt mit dem PKW  in der Regel über Rhinow. Mit der Bahn fährt man bis Rathenow oder Neustadt/Dosse und von dort mit dem Bus.
 


 Literatur 


 

- BURKART, M. : Die Grünlandvegetation der unteren Havelaue in   synökologischer und syntaxonomischer Sicht. Arch. naturwiss Diss. 7, S. M.  Galunder, Wiehl, 1998

- BURKART, M. und PÖTSCH, J. : Zur floristischen Gliederung und   Syntaxonomie der Brenndoldenwiesen in der unteren Havelaue. Ber.   Reinhold-Tüxen-Ges. 8, 283 -296, 1996

- BURKART, M. , KÜSTER, H., SCHELSKI, A. u. PÖTSCH, J. :

  A historical and plant soziological  appraisal of floodplain meadows 

  in  the lower havel valley, Northeast Germany . Phytocoenologia 28,

  85 - 103, 1998

 - BURKRT, M. , ALSLEBEN, K. , LACHMUTH, S. , SCHUMACHER,       J., Hofmann, R. , JELTSCH, F. und SCHURR, F. M. : Recruitment         requirements of the rare and threatened Juncus atratus. Flora 205,       583 - 589, 2010

BURKART, M., HEINKEN, T. , WATTENBACH, M. , WICHMANN, M.    und PÖTSCH, J. : Die Vegetation der unteren Havelaue.           Exkursionsführer anläßlich der Jahrestagung der Floristisch-   soziologischen Arbeitsgemeinschaft  vom 02 - 05. Juni 2011 in   Potsdam, Manuskript Universität Potsdam, 2011

-DIETZ, D.: NSG Gülper See. Land Brandenburg. Ministerium für   Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz. www.mug   v.brandenburg.de/cms/detail.php/bb1.c.339790.de, 2014

- EVANGELISCHE FRIEDENS-KIRCHENGEMEINDE Potsdam   (Hrsg.): Die Friedenskirche zu Potsdam-Sanssouci. Kunstverlag   Peda, 1995

- FEILER, M. und GOTTSCHALK, W.: Funde der Asiatischen   Keiljungfer (Gomphus flavipes) im Havelgebiet. Beiträge zur Tierwelt   der Mark (Potsdam) 11, 120 - 122,1989

 - FISCHER, C. : Potsdam. Begegnungen mit Bäumen. Edition Terra,      Berlin, 2007

 - FISCHER, W. und  J. PÖTSCH: Botanische Wanderungen in     deutschen Ländern. Band Berlin und Brandenburg. Hrsg. : PÖTSCH,   J. und  E: WEINERT. Urania-Verlag, Leipzig, Jena, Berlin, 1994

- FISCHER, W.,  KUMMER, V. und  PÖTSCH, J. : Zur Vegetation des   Feuchtgebietes internationaler Bedeutung (FIB) Untere Havel.   Natursch. Landschaftspfl. Brandenburg 3/4, 12 - 18, 1995

- GÜNTHER, H. : Gehölze in den Gärten von Sanssouci.     Dendrologischer Führer. Hrsg. : Generaldirektion der Staatlichen   Schlösser und Gärten  Potsdam-Sanssouci, 1981

-  GÜNTHER, H. : Peter Joseph Lenne´. Gärten / Parke /   Landschaften. Verlag für Bauwesen , Berlin, 1985

- HERING, W.: Potsdamer Pilgerwege. Hrsg. Potsdamer Pilgerwege   e.V., 2012

- GIERSBERG, H.-J. : Die Potsdamer Kulturlandschaft - Park       Sanssouci. 

 ( Unser Weltkulturerbe, Hrsg. Thomas, K. , Hoffmann, H. C. und  D.   Keller). Du Mont Literatur und Kunst Verlag, Köln, 2006 

- KÜSTER, H. und  PÖTSCH, J.: Ökosystemwandel in   Flußlandschaften  Norddeutschlands. Ber. Reinhold-Tüxen-Ges. 10,   61 -71, 1998

- LANDESAMT für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz,   Brandenburg, Hochwasserinformation 7. 2013.   www.luis.brandenburg.de

- MÜHLE, R.-U., BURKART, M. und  PÖTSCH, J. : Die Niederung der   Unteren Havel - ein Feuchtgebiet von internationaler Bedeutung. 

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- MÜHLE, R.-U., EGGERS, U., WALLSCHLÄGER, D., MÜLLER, T.,   KRAMER, M., FREULING, C., CONRATHS, F.J., BILK, S., HLINAK,   A. und HARDER, T. : Bedeutung von Rastplätzen für die Verbreitung   von aviären Infektionen bei Zugvögeln am Beispiel des Ramsar -   Gebietes Untere Havelniederung. Beiträge zur Jagd und   Wildforschung 34, 127 - 137, 2009

- MÜLLER-STOLL, W. und PIETSCH, W. : Das Samulo-Cyperetum   fusci, eine neue Eu-Nanocyperion flavescentis- Gesellschaft aus   Mitteleuropa.Tuexenia 5, 73 - 79, 1985

- PÖTSCH, J. : Die Grünland-Gesellschaften des Fiener Bruchs in   West-Brandenburg. Wiss. Zeitschrift der Päd. Hochschule Potsdam.   Math.-Naturw. Reihe 7, 167 - 200, 1962

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- RUTSCHKE, E. (Hrsg.) : Die Avifauna der DDR - Bd. 2, Die   Vogelwelt Brandenburgs. Fischer Verlag Jena, 1983

- RUTSCHKE, E. , NAACKE, J. und LITZBARSKI, H. : Die Graugans     (Anser anser) in der DDR, Acta Sc. Nat., Brno 16, 21 - 49, 1982

- RUTSCHKE, E. : Zur Etho-Ökologie einer Wildpopulation der   Graugans (Anser anser). Proc. Int. 100. D-OG Meeting. Current   Topics Avian Biol. , Bonn, 1990

- SCHELSKI, A. : Untersuchungen zur holozänen   Vegetationsgeschichte an der unteren Havel. Diss. Univ. Potsdam,   175 S. , 1997

- SCHÖNFELDER, I. : Eine Phosphor-Diatomeen-Relation für     alkalische Seen und Flüsse Brandenburgs und ihre Anwendung für   die paläolimnologische Analyse von Auensedimenten der unteren   Havel. Dissertationes Botanicae 283, 148 S.  Gebr. Borntraeger   Verlagsbuchhandlung, Berlin, Stuttgart , 1997

- SEILER, M. : Die Potsdamer Parklandschaft. ( Preußen, Kunst und   Architektur. Hrsg. Streidt, G. und  P. Feyerabend), Könnemann   Verlagsgesellschaft mbH, Köln, 1999

- STREIDT, G. : Sanssouci. Schlösser und Gärten von Potsdam. 

  RV Reise- und Verkehrsverlag GmbH, Berlin, Gütersloh, Leipzig, 

  München, Potsdam, Stuttgart, 1991

- TÖLLE, L: Die Havel und das Hochwasserschutzsystem in der Elbe 

  DWA,de.dwa.de/pp-toelle.pdf 2012

- WATTENBACH, M. : Naturschutzfachliche Bewertung von Gehölzen    und Restwäldern der Unteren Havelniederung nach       pflanzensoziologisch-standortkundlichen Kriterien. Diplomarbeit,   Univ.Potsdam,112 S. , 1999

- WICHMANN, M. und  BURKART, M. : Die Vegetationszonierung des   Grünlandes  am Südufer des Gülper Sees. Verh. Bot. Ver. Berlin   Brandenburg 133, 145 - 175,  2000


 


 6. Die Untere Elbe bei Hamburg


 

Reich verzweigt, das fällt bei der ersten Kartenstudie in Vorbereitung auf die Exkursion besonders auf, ist der Elbstrom bei Hamburg. Norder- und Süderelbe, Doveelbe, alte Flußarme, zahlreiche Kanäle, Hafenbecken und eine große Zahl von Inseln wie Schweinesand, Neßsand, Hanskalbsand u.a. bringen eine Vielzahl von Biotopen hervor. Allerorts stößt man dabei auf ein Mosaik verschiedenster naturnaher und anthropogen beeinflußter Uferstandorte, die in ihrer Gesamtheit einen hohen Grad an Biodiversität hervorbringen. Die Gezeiten der Nordsee bestimmen noch spürbar das  Wasserregime dieses als Binnendelta zu bezeichnenden "Stromspaltungsgebietes". Sie sind elbaufwärts bis zur Staustufe bei Geesthacht wirksam.

Im Mündungsbereich der Elbe ist das Wasser salzig. Als charakteristischen Lebensraum findet man hier Salzwasserwatten, die es in dieser besonderen Art und Weiträumigkeit sonst nirgends auf der Welt gibt. Immerhin handelt es sich um ein Gebiet, das von den Niederlanden bis nach Dänemark reicht und als UNESCO- Weltnaturerbe ausgewiesen ist  Das Watt ist durch Ebbe und Flut geprägt und damit einer ständigen Dynamik unterworfen. Die riesigen Flächen werden in drei Nationalparken, dem Niedersächsischen-, Hamburgischen- und Schleswig-Holsteinischen Nationalpark Wattenmeer geschützt, wobei letzterer schlauchförmig in den Mündungstrichter der Elbe über Cuxhaven hinaus bis zur Linie Otterndorf - Marne reicht. Ein hoher Nährstoffgehalt und günstige Sauerstoffverhältnisse sind wichtige ökologische Faktoren für das Gedeihen einer außerordentlch arten- und individuenreichen Kleinlebewelt im flachen Wasser und im Schlick. Das Wattenmeer ist deshalb auch für unzählige Vogelarten Nahrungs-, Brut-, Rast- und Mausergebiet. Zur Zeit des Vogelzugs im Spätsommer und Frühherbst rasten Millionen von Zugvögeln, die aus ihren Brutgebieten in den nördlichen Breiten kommen, in diesem einzigartigen Lebensraum. 

Das Gebiet wird noch dadurch bereichert, daß im Mündungsbereich der Elbe durch den ständigen Wechsel von Ebbe und Flut und der damit verbundenen Mischung von "salzigem" Nordsee- und "süßem " Elbwasser weitere neue Lebensräume entstehen. So finden sich bis Glückstadt Brackwasser- und weiter elbaufwärts Süßwasserbiotope. Hier bilden sich an den tidebeeinflußten Ufern der Elbe und ihrer Nebenflüsse  die charakteristischen Süßwaserwatten aus. Es sind überaus seltene Ökosysteme, die mit der Ausweisung einer großen Zahl von Reservaten den notwendigen Schutzstatus erfahren haben und den Raum Hamburg zu einem "ökologischen Hotspot" aufwerten

(POPPENDIECK, H.-H. 2004). Wir wollen diesen in unserer Zeit häufiger benutzten Begriff bewußt verwenden, um die Einmaligkeit dieses Lebensraumes  zu betonen. 

Im Süßwasser - Tidebereich der Unterelbe, so auch im Raum Hamburg, sind am Ufer Röhrichtgesellschaften ausgebildet, die nicht, wie von ihren bestandsbildenden Arten her zu vermuten wäre als semihalophil zu bezeichnen sind, sondern ihr Gedeihen allein  dem ständigen Wechsel von Ebbe und Flut verdanken (KÖTTER, F. 1961, ELLENBERG, H. 1986). Wir sprechen deshalb auch von Tide - Röhrichten. Zur offenen Wasserfläche hin siedeln das Strandsimsen- und Salz-Teichsimsen - Röhricht (Bolboschoenetum maritimi, Scirpetum tabernaemontani), gefolgt von einem Schilf - Röhricht (Scirpo-Phragmitetum) verschiedenster Ausbildungsformen, einem Rohrglanzgras - Röhricht (Phalaridetum arundinaceae), Beständen der Sumpfgänsedistel-Engelwurz - Gesellschaft (Sonchus palustris - Archangelica - Ges.), Zweizahn - Fluren (Bidentetum tripartiti) u.a. Zu den floristischen Besonderheiten der Tide-Röhrichte gehören der Schierling-Wasserfenchel (Oenanthe conioides) und Wibels Schmiele (Deschampsia wibeliana). Beide Arten sind endemisch, d. h., sie kommen nur in diesem Gebiet vor.

Geschlossene Auenwälder mit einem höheren Anteil von Eichen gibt es seit langer Zeit nicht mehr. Sie wurden vermutlich schon zwischen 800 und 900 n. Chr gerodet oder durch Waldweide devastiert. Danach hat man die Flächen in verschiedener Weise landwirtschaftlich genutzt. Somit vollzog sich bereits zu jener Zeit eine ökologisch nachteilige Veränderung der Auenlandschaft, die zu häufigeren starken Hochwassern führte und die Anwohner, wollten sie in der Aue bleiben, zum Bau von Wurten und Deichen zwang (PREISINGER, H. 2005).

Nach Aufgabe landwirtschaftlich genutzter Flächen findet man besonders in jüngerer Zeit wieder kleinere regenerierte Fragmente von Auenwäldern. Auch im NSG Heuckenlock, das bereits im Jahr 1936 unter Schutz gestellt wurde und bestens untersucht ist, handelt es sich bei dem hier ausgebildeten "Auenwald" wahrscheinlich um keinen aus früherer Zeit erhalten gebliebenen  Auenwaldrest, sondern um einen nach Aufgabe unterschiedlicher Nutzung (Obstanbau, Schnitt von Weidenruten für die Korbflechterei, Waldweide etc.) regenerierten Wald (PREISINGER, H. 2005).  Im NSG Heuckenlock befindet sich eines der wenigen in Deutschland bekannten Vorkommen der Grannen-Segge (Carex atherodes).

Eine auch von auswärtigen Botanikern und Zoologen gern gewählte Exkursion führt von Hamburg aus kommend in die Wedeler Marsch mit dem hier außendeichs vorgelagerten Fährmannssander Watt. Vom Hochwasserschutzdamm hat man einen herrlichen Blick auf die Elbe mit den vorgelagerten Tideröhricht- Gesellschaften, die bei Ebbe und Flut einen jeweils eigenständigen Eindruck vermitteln und das dynamische Geschehen in besonderer Weise vor Augen führen. Bei Ebbe kommt es im heißen Sommer zu einer kurzfristigen, starken Besonnung des trocken gefallenen Bodens; Kälte, Schnee und Eis schaffen ihrerseits im frostigen Winter extreme ökologische Verhältnisse. Nicht weniger gravierend ist die nachfolgende Flut, die oft mit starkem Wellenschlag und damit verbundener Erosion, Sedimentzufuhr und Sedimentverlagerung einhergeht. Derartig extreme Zustände können nur von Organismen toleriert werden, die in hohem Maße störungsresistent sind und mit schnell wechselnden Standortverhältnissen zurechtkommen. 

Das Fährmannssander Watt als das europaweit wohl  bedeutendste Süßwasserwatt gehört zum NSG "Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland". Das mit 2056 ha erfreulich große Gebiet wurde bereits 1984 unter Naturschutz gestellt. Als schmaler Streifen am rechtsseitigen Ufer der Elbe gelegen, schließt es über eine Länge von 15 km vom Wedeler Yachthafen bis zur Pinnaumündung eine Vielzahl ökologisch bedeutsamer Biotope ein. Ornithologisch ist das Gebiet außerordentlich interessant. Selbst den vielerorts verschwundenen Seeadler (Haliaeetus albicilla) kann man hier wieder beobachten und auch so selten gewordene Arten wie Uferschnepfe (Limosa limosa), Tüpfelsumpfhuhn (Porzana porzana), Eisvogel (Alcedo atthis), Blaukehlchen (Cyanosylvia svecica), Wachtelkönig (Crex crex), Neuntöter (Lanius collurio) u.a. brüten wieder im Gebiet. Mit den direkt angrenzenden Schutzgebieten NSG "Eschschallen im Seestermüher Vorland" und NSG " Elbinsel Pagensand" kommen elbabwärts zwei bedeutende Reservate hinzu. Das durch Elbvertiefung und Deichausbau stark in Mitleidenschaft gezogene Tidegebiet der Unterelbe hat mit diesen größeren, zusammenhängenden Reservaten noch einiges an Natürlichkeit bewahrt. Die extensive Nutzung vieler Ökosysteme, darunter der Marschwiesen, wirkt sich weiterhin günstig aus und trägt dazu bei, daß weite Räume der Unterelbe von riesigen Schwärmen  durchziehender und rastender Wildgänse, Wildschwäne und Wildenten genutzt werden. Nonnen-, Saat-, Bläss- und Graugänse (Branta leucopsis, Anser fabalis, Anser albifrons, Anser anser) sind hier ebenso zu nennen wie Sing- und Zwergschwäne (Cygnus cygnus, Cygnus bewickii). Auch Krick- und Löffelenten (Anas crecca, Anas clypeata) gehören dazu, die in den Süßwasserwatten Versteck und Nahrung finden.

In mehreren Informationszentren, so im Elbmarschenhaus, im NABU- Naturzentrum Scholenfleth und in der Carl Zeiss Vogelstation des NABU Hamburg in der Wedeler Marsch wurde von fachkundigen Naturschutzmitarbeitern eine große Zahl von Anschaungstafeln angefertigt, die dem Besucher eine sehr gute Einführung in das Gebiet vermitteln. 

Die Station in der Wedeler Marsch wird seit 1984 vom NABU Hamburg betreut. Sie wurde als Ausgleich für verloren gegangene wertvolle Biotope bei der Veränderung der Deichlinie zunächst als Hermann-Kroll-Haus an einer ehemaligen Kleientnahmestelle für den Deichbau errichtet. Die dabei entstandenen künstlichen Gewässer und Inseln sind inzwischen bedeutsame Biotope für eine Vielzahl von Vogelarten mit unterschiedlichen Habitatansprüchen geworden. Die heutige Carl Zeiss Vogelstation ging aus einem in den Jahren 2005 und 2006 vorgenommenen Umbau hervor. Sie liegt unweit vom Deich und ist ein besonders schönes Beispiel für eine dem Naturschutz verpflichtete Architektur und Landschaftsgestaltung. Von Erdwällen umschlossene Zugänge und spezielle Beobachtungsfenster verhindern Störungen und gestatten eine ungehinderte Beobachtung der Vögel. Es besteht die Möglichkeit, Ferngläser auszuleihen und auf Anfrage fachkundige Führungen zu erhalten. Die umgebene Wedeler Marsch ist ist ein artenreicher Lebensraum.

Die Feuchwiesen sind im Frühjahr mit schön blühenden Schachblumen (Fritillaria meleagris) geschmückt. Die Schachblume oder Schachbrettblume hat im NSG "Untere Seeveniederung" bei Harburg ihr in Deutschland größtes Vorkommen. Das hier vorgestellte Foto stammt aus diesem Gebiet.


Das Tor zur Welt, so wird Hamburg mit seinem allerorts bekannten Hafen gern genannt, und die Hamburger Bürger sind zurecht stolz darauf. Sein architektonisches Kleinod, die in vergangener Zeit wirtschaftlich und wirtschaftspolitsch bedeutende ( KÜSTER, H. 2007) und heute bewunderte Speicherstadt ist von hohem kulturgeschichtlichen Rang; sie wurde gemeinsam mit dem Kontorhausviertel und dem Chilehaus am 05.07.2015 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen. 

Botaniker suchen die Hafenanlagen, soweit sie zugängig sind, gern auf, um nach seltenen, mit dem Schiffsverkehr eingebrachten Pflanzen zu suchen. Besonders in vergangener Zeit siedelten sie sich in der Nähe von Wollkämmereien, Ölmühlen und Speichern als "Gäste" aus anderen Ländern häufig an. Wir sollten sie  als Bereicherung unserer Flora schätzen. Ehemals als Eingangspforte für Neophyten von großer Bedeutung, tragen Großhäfen in jüngerer Zeit nicht mehr in dem bisherigen Maß zur Ausbreitung gebietsfremder Arten in die Umgebung bei, weil durch einen veränderten Warenumschlag mit Hilfe von  Containern oder "sauber " zu Pellets verarbeiteten Ölsaaten weniger häufig Neophyten mitgeführt werden (BRANDES, D. 2005). Umsomehr sollte es Anliegen der Städte-und Landschaftsplaner sein, die Böden von Umschlagplätzen im Warenverkehr nur soweit wie notwendig zu versiegeln, um ausreichend Standorte für gebietsfremde "Einwanderer" zu behalten, wie überhaupt möglichst viele solcher als "unaufgeräumt" erscheinenden, naturnahen Flächen als Refugialstandorte für sogenannte "Unkräuter" (Ruderalpflanzen) erhalten bleiben sollten (PÖTSCH, J. 1991).

In seinem Artikel "Hotspot Hamburg, Pflanzenreich an der Elbe", hat (POPPENDIECK, H.-H. 2004) weitere "Hotspots der Pflanzenvielfalt in Deutschland" benannt. Er verweist  u.a. auf die Oderhänge, das Harzvorland, das Fränkische Schichtstufenland oder den Kaiserstuhl. Bei allen Gebieten handelt es sich um bekannte Exkursionsziele, die seit Jahrzehnten von Studierenden und ihren Hochschullehrern aufgesucht werden. Sie wurden in der Buchreihe "Botanische Wanderungen in deutschen Ländern" von Autoren verschiedenster Universitäten, Großschutzgebiete und Landesumweltämter sowie von ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen aus der Naturschutzpraxis beschrieben (PÖTSCH, J und H. WEINERT Hrsg. ,1993 - 1996). Leider konnte diese Reihe nicht zu Ende geführt werden, da nach Schließung des URANIA-Verlags kein anderer Verlag die Herausgabe übernehmen wollte oder konnte. Die in dieser Homepage aufgenommene Exkursion "Dessau-Wörlitzer Kulturlandschaft ..." nimmt in kurzer, veränderter Form den Gedanken wieder auf und sollte junge Kolleginnen und Kollegen ermutigen, hier anzuknüpfen. Es wäre ganz in meinem, oft geäußerten Sinne, aber sicher auch im Sinne meines damaligen Mitherausgebers und Freundes Doz. Dr. habil. Erich Weinert, Universität Halle-Wittenberg, der leider zu früh verstorben ist. Die Geobotanik ist ohne Zweifel die Grundlage für eine zielführende Ökosystemforschung, besonders im Hinblick auf eine erfolgreiche Naturschutzforschung und praktische Naturschutzarbeit. Um die gefährdeten Ökosysteme zu erhalten, bedarf es unserer ganzen Aufmerksamkeit. Wir dürfen nicht müde werden, Fördergelder für geobotanisch-ökologische Themen einzuwerben, damit über die Forschungsarbeiten unserer Studierenden Naturschutzforschung weiterhin ermöglicht wird. In der Vergangenheit sind entsprechende Großprojekte mit Erfolg bearbeitet worden (PÖTSCH, J. und K.-D. BUSCH,1985) , PÖTSCH, J. (1987) , PÖTSCH, J. (1994).  An unseren Universitäten sind gute materielle und personelle Voraussetzungen gegeben, um auch moderne, disziplinübergreifende Methoden wie Monitoring, Ökosystemmodellierung u.a. erfolgreich anzuwenden. In diesem Zusammenhang sei auf das Bundesprogramm "Biologische Vielfalt" (2012 bis 2015) des Bundesamts für Naturschutz (BfN) verwiesen. In ihm werden vorrangig zu bearbeitende Ökosysteme sowie gefährdete Pflanzen- und Tierarten benannt und Hinweise für die Antragstellung zur Vergabe der Forschungsarbeiten gegeben. Über den aktuellen Stand und Zukunftsperspektiven der Pflanzensoziologie berichtet DIERSCHKE, H. (2015) in einem Beitrag vom letztjährigen XI. Rintelner Symposium. Er verweist dabei u.a. auf naturschutzfachliche Publikationen, in denen pflanzensoziologische Methoden beim Biomonitoring Anwendung finden.


 

Zuletzt soll unsere Aufmerksamkeit noch einmal dem Hamburger Hafen selbst gelten. Er zählt zu den bedeutendsten und schönsten Häfen der Welt. Vom Deck eines auslaufenden Schiffes ist das kaum zu überbietende, großartige Hafenpanorama in besonderer Weise zu erleben. Die folgenden Bilder mögen davon einen kleinen Eindruck vermitteln. 


 

Literatur


- KÜSTER, H. : Die Elbe. Landschaft und Geschichte, Verlag C. H.     Beck, München, 2007

- BRANDES, D. : Flora und Vegetation niedersächsischer   Binnenhäfen. Braunschweiger Naturkundliche Schriften 3, 305 - 334,   1989  

- BRANDES, D. : Flora und Vegetation der Elbe-Binnenhäfen in   Deutschland. Ausbreitungszentren oder Habitatinseln? www.ruderal-   vegetation.de/epub/elbhafen.pdf, S. 1 - 39, 2005

- BfN. Hotspots im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Ziele und   Fördermodalitäten. www.biologischevielfalt.de, S. 1 - 8, 2012

- BfN. "Hot Spots" im Bundesprogramm Biologische Vielfalt. Nationale   Biodiversitätsstrategie. www.bfn.de, 2015

- DIERSCHKE, H. : Pflanzensoziologie in Mitteleuropa im 21.   Jahrhundert: aktueller Stand und Zukunftsperspektiven. Berichte der   Reinhold-Tüxen-Gesellschaft (RTG), Hrsg. RICHARD POTT, 27, 

 201 - 229, 2015

- ELLENBERG, H. : Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen. Verlag   Eugen Ulmer, 989 S. ,1986

- KÖTTER, F. : Die Pflanzengesellschaften im Tidegebiet  der   Unterelbe. Arch. Hydrobiol. 26, 106 -185, 1961

- MONING, C. : Wedeler  und Haseldorfer Marsch.     www.birdinggermany.de/wedelermarsch.htm  NABU Landesverband   Schleswig-Holstein, 2003

- NABU Hamburg : Landesverband Hamburg. Wedeler und     Haseldorfer Marsch. hamburg. nabu. de, 2014 

- NATURSCHUTZBEHÖRDE des Kreises Pinneberg:   Naturschutzgebiet "Haseldorfer Binnenelbe mit Elbvorland", 2008

- PÖTSCH, J. und K.-D. BUSCH : Großräumige vegetationskundliche   Untersuchungen zur Erfassung von Veränderungen der   Ackerunkrautvegetation. Arch. Naturschutz u. Landschaftsforsch.,   Berlin 25, 4, 237 - 246, 1985

- PÖTSCH, J. : Ergebnisse eines Stichprobenverfahrens zur     Erfassung und Bewertung großräumiger Veränderungen der   Ackerunkrautvegetation. Hercynia N. F. , Leipzig, 24, 4, 404 - 407,   1987

- PÖTSCH, J. : Unkraut oder Wildpflanze. Urania-Verlag. Leipzig, 1991

- PÖTSCH, J. : Eine Methode zur Erfassung gefährdeter Arten der

  Segetalvegetation auf Bracheäckern. Naturschutz und

  Landschaftspflege in Brandenburg. Sonderheft 1/1994, Naturschutz     in der Agrarlandschaft, 50 - 54. ( weiterhin veröffentlicht unter www.   lugv. brandenburg.de ....)

- PÖTSCH, J. und  H. WEINERT (Hrsg.) : Botanische Wanderungen      in deutschen Ländern. Bd. 1, KÜSTER. H. : Baden-Württemberg,     1993. Bd. 2, FISCHER, W. und J. PÖTSCH: Berlin und Brandenburg,   1994.

  Bd. 3, DUNGER, I. , GUTTE, P. , KOSMALE, S. , RIEBE, H. und  R.   WEBER : Sachsen,1995. Bd. 4, WESTHUS, W. und H.- J.   ZÜNDORF: Thüringen, 1995. BD. 5, BÖNSEL, D. ,SCHMIDT, P. und   C. WEDRA: 

 Hessen, 1996. BD. 6, NEZADAL, W. und  W. WELß: Franken, 1996

- POPPENDIECK, H.-H. (Hrsg.) : Botanischer Wanderführer rund um   Hamburg. 220 S. Christians, Hamburg, 1990

- POPPENDIECK, H.-H. : Hotspot Hamburg. Pflanzenreich an der   Elbe. Naturschutz in Hamburg. Verbandszeitung des NABU Hamburg   2/04, 2004

- PREISINGER, H. : Vegetations- und Nutzungsgeschichte des     Elbtals   bei Hamburg.  Berichte des Botanischen Vereins zu   Hamburg. Heft 22, 7-19, 2005



 Anhang


Junge Kollegen haben mich ermuntert, einige Exkursionen aus früherer Zeit, bspw. eine Brocken-Exkursion aus dem Jahre 1958, in dieser Homepage zu publizieren. Dazu mußte ich die sicher interessanten Bilder aus damaliger Zeit digitalisieren. Ich bin dem Wunsch gern nachgekommen und erinnere mich gern an die vielen Begegnungen mit  Kollegen und Freunden aus zum Teil lang zurückliegender Zeit.


 

Der Harz, ein lohnendes Exkursionsziel


 

Ein seit 2006 bestehender, länderübergreifender Nationalpark und eine Vielzahl zum Teil schon älterer Schutzgebiete, wie bspw. das sagenumwobene Bodetal zwischen Treseburg und Thale mit seinen touristischen Attraktionen Roßtrappe und Hexentanzplatz, Naturschutzgebiet seit 1937, üben einen großen Reiz auf Naturliebhaber aus und ziehen alljährlich neben vielen Touristen auch eine große Zahl von  Studierenden verschiedenster Universitäten aus dem In- und Ausland in ihren Bann. Seit jeher gehören deshalb biologische und hier besonders geobotanisch - ökologische Exkursionen zum festen Ausbildungsprogramm. Dabei versucht man nicht selten neben der fast obligatorischen Hochharzexkursion mit Besuch des Brockens und Brockengartens weitere pflanzengeographisch bedeutsame Schutzgebiete im nördlichen oder südlichen Harzvorland in das Exkursionsprogramm aufzunehmen. Eine besondere Bereicherung erfährt das Gebiet durch mehrere Weltkulturerbestätten in Goslar und Quedlinburg. In Goslar stehen seit 1992 die Altstadt und die berühmte Kaiserpfalz unter Schutz der UNESCO; 2010 kamen das Bergwerk Rammelsberg und die Oberharzer Wasserwirtschaft hinzu. In Quedlinburg sind die Stiftskirche sowie das dortige Schloß und die Altstadt geschützt. Bei allem sei nicht vergessen , daß unsere großen Dichter Johann Wolfgang von Goethe und Heinrich Heine den Harz bereisten, wovon mehrere Wanderwege künden.  Die Magie der Landschaft ist in ihrem schriftstellerischen Werk verewigt. Eine einzigartige, überwältigende Natur und ein bedeutendes Kulturgut erwarten uns.

Als nördlichstes Mittelgebirge Zentraleuropas nimmt der Harz  im Vergleich mit anderen nahe gelegenen Gebirgen wie dem Thüringer Wald und dem Erzgebirge eine Sonderstellung ein. Der Brocken ist schon aus großer Ferne an seinem kahlen, waldfreien Gipfel erkennbar und zieht Jahr für Jahr bis zu zwei Millionen Besucher magisch in seinen Bann. Obwohl nur 1141 m  hoch, unterscheidet er sich deutlich von den höchsten Gipfeln der benachbarten Gebirge, die

alle, und das gilt auch für den höheren Fichtelberg bei Oberwiesenthal, bis in die höchste Region bewaldet sind. Eine natürliche Waldgrenze wie am Brocken kennt man dort nicht. 

Der Harz wird durch extreme Klimabedingungen geprägt. Niedrige Luft- und Bodentemperaturen, dazu starke, häufig stürmische Winde, die "ungebremst" aus westlicher Richtung wehen, im Jahr 1984 wurde die bisherige Höchstgeschwindigkeit von 263 km/h gemessen, bewirken, daß schon in geringer Höhe zwischen 1100 und 1130 m eine natürliche Waldgrenze erreicht wird. Die in dieser Höhe vorkommenden Fichtenwälder sind natürlichen Ursprungs und charakterisieren in ihrer pflanzensoziologisch-ökologischen Vielfalt die hier gut ausgebildete obere Bergstufe oder altimontane Höhenstufe (begriffliche Fassung nach SEDLAG, U., WEINERT, E., 1987). Ihre Vorposten mit niedrigen, vom Wind geformten Bäumen (Picea abies) bilden in einer subalpinen Übergangszone die Baumgrenze und leiten zu den baumlosen Matten des Brockenplateaus über.

Ein ähnliches Vegetationsbild kennt man auch von bestimmten Gebieten der Nordalpen, wo der altimontane Fichtenwald in eine alpine Mattenvegetaton übergeht und vom Wind gezeichnete, vereinzelt vorkommende Fichten (Picea abies) ebenfalls die subalpine Kampfzone des Waldes charakterisieren. Die dortige Waldgrenze liegt allerdings wesentlich höher zwischen 1700 und 1900 m ü. NN.

Auch im nördlichen Skandinavien sind solche Vegetationszonierungen beim Übergang von borealen Wäldern zur baumlosen Tundra allgegenwärtig. Die hier anzutreffende zonale Vegetation umgibt "gürtelartig"die nördliche Halbkugel. Es herrschen vergleichsweise ähnliche klimatische Bedingungen wie in den zentraleuropäischen Gebirgen, ohne dabei zu übersehen, daß erhebliche Unterschiede im Strahlungshaushalt, in der Tageslänge, in den Tagesschwankungen der Temperatur, in der Niederschlagsmenge und anderen ökologischen Faktoren bestehen. Dennoch läßt sich sagen, daß die zirkumterrestrisch verlaufenden Vegetationszonen ihr Pendant in den Höhenstufen der Gebirge und umgekehrt finden. In beiden Fällen bestimmen die kürzere Vegetationszeit mit abnehmenden Temperaturen die zonale bzw. vertikale Vegetationsfolge. In mitteleuropäischen Gebirgen, so auch im Harz, trifft man auf Arten, die in ihrem Verbreitungsbild sehr eindrucksvoll das soeben geschilderte Phänomen bekräftigen. Sie besitzen ein disjunktes Areal und kommen sowohl in der borealen Zone als auch in der montanen Höhenstufe der Gebirge vor und gelten deshalb als boreo-montan verbreitet. Als Beispiel hierfür sei auf das entsprechende  Areal der Gemeinen Fichte (Picea abies) verwiesen, aber auch das Vorkommen des Raufußkauzes (Aegolius funereus) im Nationalpark Harz sei hier genannt. Diese seltene Art besitzt ebenso ein boreo-montanes Areal. Disjunkte Areale kennt man natürlich auch von Arten mit arkto-alpiner Verbreitung. Das Alpen-Habichtskraut (Hiercium alpinum) oder der Alpen-Flachbärlapp (Diphasiastrum alpinum) wären hier zu nennen, die auch auf dem Brocken vorkommen.

Spitzbergen als Beispiel für eine arktische Region ist mit seinen vielen Gletschern ganz und gar arktisch-alpin bis nival geprägt. Dieses beeindruckende Bild läßt sich sehr gut bei einer Fahrt durch die Fjorde, u.a. am berühmtem Nordenskjöld-Gletscher oder am Tunabreen-Gletscher, beobachten. Derartige Extrem-Standorte finden sich in Mitteleuropa nur in den höchsten Gipfelbereichen der Alpen.

Nach diesem eher allgemeinen geobotanischen Exkurs wollen wir uns wieder dem Harz zuwenden. Er lädt dazu ein, die soeben geschilderten ökologisch-arealkundlichen Gegebenheiten ansatzweise und in vergleichsweise kurzer Zeit zu studieren.

Aus der norddeutschen Tiefebene kommend, bietet es sich an, zunächst in den Bördelandschaften die planare Region (planare Höhenstufe), d. h. eine im wesentlichen agrarisch geprägte Region, näher zu betrachten, um dann in die Hügellandschaft (colline Höhenstufe) des nördlichen Vorharzes zu gelangen und schließlich am steil aufragenden Nordrand des Harzes die Bergstufe bzw. montane Höhenstufe zu erreichen. Dabei treten uns im submontanen Bereich zuerst die Buchen- und Eichenmischwälder entgegen, die etwa 

ab 800 m Höhe im altimontanen Bereich von natürlichen Fichtenwäldern abgelöst werden. Am Brockengipfel erreicht man schließlich die schon genannte subalpine Höhenstufe.

Würde man die Harzquer- und Brockenbahn nutzen, viele der hier und weiter unten gezeigten Bilder sind bei einer solchen Fahrt entstanden, ließe sich die Tour an einem Tag schaffen. Meist stehen aber noch mehrere Exkursionspunkte auf dem Programm. Das romantische Bodetal, das Luchs-Schaugehege an der Rabenklippe bei Bad Harzburg, einige noch gut erhaltene Bergwiesen oder das Elendstal, schon nahe am Brocken gelegen, laden dazu ein. Nicht zu vergessen sei aber auch ein Besuch von Quedlinburg, Gernrode, Wernigerode und  Goslar oder ein kurzer Trip in den Park von Ballenstedt, um ein Spätwerk des großen Gartengestalters  P. J. Lenné zu bewundern. Im Harzvorland wartet dann noch eine pflanzensoziologisch höchst interessante Steppenvegetation auf uns. Sie erfährt in den Naturschutzgebieten Harslebener Berge-Steinholz, Teufelsmauer und Gegensteine-Schierberg besonderen Schutz.

Ein wahrlich reichhaltiges und zudem auserlesenes

Exkursionsprogramm ist zu bewältigen! 


Extrazonale Steppenvegetation im nördlichen Harzvorland


Nach lang andauernden, schneereichen Wintern zieht es im zeitigen Frühjahr manch einen Bewohner des rauen Harzes in das hügelige, warme Harzvorland. Dort kann man, wenn auch allzu oft nur bei einem kurzen Tagesausflug, die warme Frühlingssonne genießen und taucht gleichsam in eine bunt blühende Steppenlandschaft ein, denn Adonisröschen (Adonis vernalis), Küchenschelle (Pulsatilla  pratensis) und andere Frühjahrsblüher stehen in voller Blüte. Die dort anzutreffenden, um die 200 m hohen Sandsteinfelsen mit ihren flachen Nord- und steilen Südhängen bergen eine überaus interessante Vegetation. Aus ursprünglich lichtdurchfluteten Steppenwäldern hervorgegangen, hat sich nach Entwaldung und Beweidung schon in früher Zeit ein Vegetationstyp entwickelt, der als extrazonaler, nordwestlicher Vorposten einer im subkontinentalen, pontisch-pannonischen Raum siedelnden Steppenvegetation anzusehen ist (vgl. hierzu SEDLAG, U. und  WEINERT, E.  1987 sowie PFADENHAUER, J. S. und KLÖTZLI F. A.  2014). Bekannte Naturschutzgebiete, wie das NSG Gegensteine-Schierberg nördlich von Ballenstedt, das NSG Harslebener Berge-Steinholz nordwestlich von Quedlinburg und das NSG Teufelsmauer südöstlich von Blankenburg bergen diese Naturschätze und wurden auch als FFH-Gebiet unter besonderen europäischen Schutz gestellt. 

Das etwa 250 ha große Gebiet Harslebener Berge-Steinholz ist seit 1967 als NSG ausgewiesen und liegt im gleichnamigen FFH-Schutzgebiet. Neben naturnahen Restwäldern und Nadelholz-Forsten sind die offenen Bereiche mit verschiedenen Trockenrasen-Biotopen von besonderer floristischer Bedeutung. Überaus auffällig sind submeridional-subkontinental geprägte Federgras-Gesellschaften vom Typ des Stipetum stenophyllae (MAHN 59) oder Haarpfriemengras-Gesellschaften wie das Festuco valesiacae-Stipetum capillatae in Plateaulagen und an oberen Südhängen der Hügel.

Sehr bemerkenswert sind auch die Sand-Fluren, wie bspw. der Blauschwingel-Silbergras-Rasen (Festuco cinereae-Corynephoretum 

SCHUB. 74) mit der Sand-Silberscharte (Jurinea cyanoides).  Sie wurde als besonders schützenswerte, prioritäre Art in der Anlage II der Fauna-Flora-Richtlinie (FFH - RL) der Europäischen Union ausgewiesen. WEGENER, U. und HERDAM, H. (2009) haben sich in besonderer Weise mit dem Vorkommen und Erhaltungsmaßnahmen der Art im nördlichen Harzvorland befaßt. 

Faunistisch ist das NSG Harslebener Berge-Steinholz infolge seiner Biotopvielfalt ebenfalls reich ausgestattet. Uhu (Bubo bubo), Baumfalke (Falco subbuteo), Sperber (Accipeter nisus) oder Neuntöter (Lanius collurio) sind ebenso anzutreffen wie die als thermophil geltende Glattnatter (Coronella austriaca) oder eine Reihe von südlich verbreiteten Insekten-Arten, die im Gebiet ihre nördliche Verbreitungsgrenze erreichen.

Biogeographisch sind die extrazonalen Steppen-Biotope des nördlichen Harzvorlandes besonders interessant, weil subkontinental und subozeanisch verbreitete Arten nebeneinander vorkommen und außerdem je nach Hanglage und sonstigen ökologischen Einflußfaktoren subboreale und submeridionale Vertreter das Gebiet bereichern.

Die Offenlandbiotope zu erhalten und eine Wiederbewaldung weitgehend zu verhindern, ist eine der wichtigsten Aufgaben des Naturschutzes. Wiesen, Trockenrasen, Heiden und andere Offenlandbiotope sind im Waldland Mitteleuropa durch die Kulturwirtschaft des Menschen entstanden. Sie beherbergen eine Fülle von lichtbedürftigen Arten, darunter besonders viele aus benachbarten Florengebieten und Florenzonen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden vom Bundesministerium für Forschung und Technik (BMFT) grundlegende Forschungsarbeiten zu diesem Thema gefördert und in eigens dazu finanzierten Publikationsorganen veröffentlicht, so daß heute fundierte Kenntnisse über die ökologischen Zusammenhänge vorliegen. Es werden darin auch viele Hinweise für den praktischen Naturschutz gegeben. Es ist nunmehr wichtig, daß in der Naturschutzarbeit vor Ort, die vorhandenen knappen finanziellen Mittel optimal eingesetzt werden. Die bisherigen Arbeiten und ins Auge gefassten Ziele sind in diesem Zusammenhang außerordentlich verheißungsvoll (WEGENER, U. 1998; WEGENER, U. und HERDAM, H. 2009; KISON, H.-U. 2012).   





Das Bodetal zwischen Treseburg und Thale


Das seit 1937 unter Schutz stehende Bodetal zwischen Treseburg und Thale ist eines der ältesten Naturschutzgebiete in Deutschland, ähnlich wie das NSG Teufelsmauer dessen Schutzstatus seit 1935 besteht. Gegenüber dem nördlichen Harzvorland ergeben sich beträchtliche Höhenunterschiede, die zwischen Thale und den geradezu vor der Tür liegenden Berggipfeln Roßtrappe und Hexentanzplatz deutlich in Erscheinung treten. So liegt Thale bei 150 bis 170 m ü. NN, währenddessen die mit Lift oder Kabinenbahn erreichbaren Gipfel Roßtrappe und Hexentanzplatz Höhen von 404 bis 437 bzw. 451 m ü. NN aufweisen. Sehr erlebnisreich ist der etwa 10 km lange Weg entlang der Bode von Treseburg nach Thale. Das Bodetal ist im kleinen, in etwa 270 m Höhe gelegenen Kurort Treseburg von stiller, sanfter Schönheit. Entlang der Bode gelangt man auf teilweise schmalen, eng an die Bergwand geschmiegten Pfaden nach Thale, wo kurz vorher die sagenumwobenen Bergipfel Hexentanzplatz (rechts) und Roßtrappe (links) zum steilen Aufstieg einladen. Für diese Exkursion muß ein ganzer Tag eingeplant werden. Steht nur ein halber Tag zur Verfügung, sollte der Sessellift  von Thale zur Roßtrappe genutzt werden. Hier erreicht man das Bergmassiv in nur wenigen Minuten und kann den herrlichen Blick in das tief eingeschnittene Kerbtal der Bode genießen. Beim Abstieg über die Schurre, einen steilen, teilweise unwegsamen und auch oft wegen Steinschlags gesperrten Gebirgspfad, laden beiderseits des Weges viele botanische Kostbarkeiten zur näheren Betrachtung ein.

Geobotanisch-ökologisch ist das Bodetal von außerordentlichem Reiz. Es fasziniert Biologen, Geographen und Geologen in gleichem Maße. Eine Gesteinsvielfalt, die von devonischen Schiefern, Quarziten und Quarzporphyren bis zum Granit reicht, ist gepaart mit steilen, unterschiedlich exponierten Hanglagen bei wechselnder Hangneigung. Die Bode hat mit ihrer erodierenden Kraft diese für die Vegetation wichtigen Standorte geschaffen, die ihrerseits bei weiterer Verwitterung einer ständigen Dynamik unterworfen sind. So entstanden eine große Zahl offener Standorte mit Felsgebüschen, Felsfluren, Blockschutthalden u.a. 

Darüber hinaus zeichnet sich das Bodetal ausgehend vom Flußbett über die bizarren, steilen Felswände bis zum oberen Plateaurand durch zahlreiche floristisch interessante Waldgesellschaften aus. Sie reichen vom Bergahorn-Schluchtwald (Fraxino-Aceretum pseudoplatani) über  den Spitzahorn-Linden- Blockhaldenwald (Aceri platanoides-Tilietum cordati) mit Vorkommen der Eibe (Taxus baccata), den auf bizarren Felsgraten siedelnden Felsheide-Kiefernwald (Hieracio-schmidtii-Pinetum), Fingerkraut-Eichentrockenwald (Potentillo albae- Quercetum petraeae), Färberginster-Eichenwald (Genisto tinctoriae-Quercetum) bis zu Buchenwäldern unterschiedlicher pflanzensoziologischer Prägung am Plateaurand und auf der angrenzenden Hochfläche.

Unter den Pflanzengesellschaften der offenen Felsstandorte verdienen die Pfingstnelken-Blauschwingel-Gesellschaft (Diantho-gratianopolitani- Festucetum-pallentis) mit Vorkommen der Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus) und Alpen-Aster (Aster alpinus) sowie die auf Stein- und Blockschutthalden siedelnde Rasensteinbrech-Gesellschaft (Festuco pallentis-Saxifragetum decipientis) mit dem Rasensteinbrech ( Saxifraga decipiens) besondere floristische Aufmerksamkeit. Auch auf Gesteinsschuttflächen siedelnde Zwergstrauchheiden (Antherico-Callunetum) mit der Astlosen Graslilie (Anthericum liliago), dem Heidekraut (Calluna vulgaris), der Schwalbenwurz (Cynanchum vincetoxicum) u.a. sowie  Felsgebüsche, wie die auf schmalen Felsgraten vorkommende  Besenginster-Zwergmispel-Gesellschaft (Sarothamno scoparii-Cotoneastretum integerrimi) seien genannt. Erwähnt werden sollte noch die Wimperfarn-Streifenfarn-Gesellschaft (Woodsio-Asplenietum), die in Felsspalten steiler, südexponierter Felswände zu finden ist.


Fauna


Eine so vielfältig strukturierte Landschaft ist auch ein bevorzugter Lebensraum seltener Tiere. Wildkatze (Felis silvestris), Feuersalamander (Salamandra salamandra), Bergmolch (Triturus alpestris), Wanderfalke (Falco peregrinus), Mittelspecht (Dendrocopus medius), Wasseramsel (Cinclus cinclus), Gebirgsstelze (Motacilla cinerea), Eisvogel (Alcedo atthis) sowie eine ganze Reihe von Fledermaus-Arten, darunter der Kleine Abendsegler ( Nyctalus leisleri)

kommen vor. Immer zu beobachten ist die Bachforelle (Salmo trutta fario) , die manchem Gasthof den Namen gab.

Das Gebiet bedarf wegen der hohen Touristenzahlen einer besonderen Pflege. Als FFH- Gebiet unterliegt es europäischen Schutzbestimmungen.




Das Luchs-Schaugehege bei Bad Harzburg


Der Eurasische Luchs (Lynx lynx), am 17. März 1818 wurde das letzte Tier in freier Wildbahn erlegt, kehrt in sein altes Stammgebiet, den Harz, zurück. Nach einigen Jahren erfolgreicher Auswilderung, es handelt sich hierbei um einen relativ kurzen Zeitraum der Jahre 2000 bis 2006, fühlt er sich offensichtlich wohl, denn nach Auswertung eines Fotofallen-Monotoring in den Jahren 2014/15 und 2015/16 konnten Luchse  in 268 bzw. 286 Bildern erfaßt werden. Dabei identifizierte man 17 adulte Individuen und 11Jungtiere. Im Monitoringzeitraum 2016/17 wurden  in 120 Fotofallen an 60 Standorten Luchse in insgesamt 502  Bildern gesichtet. Diese Zahlen ermutigen sehr und verdeutlichen die erfolgreiche Entwicklung der Population. Modelle, die Aussagen in den o.g. Untersuchungszeiträumen beziehen sich auf ein  Untersuchungsgebiet von 746, 741 bzw. 779 Quadratkilometern Größe, belegen, daß im betrachteten Gebiet 3,8 Luchse pro 100 Quadratkilometer unter Einbeziehung der noch nicht selbständigen Jungtiere vorkommen. In die Untersuchungen sind auch moderne Methoden der Telemetrie einbezogen. Einige mit einem Senderhalsband versehene Luchse geben Auskunft über die Wanderwege der Tiere und Größe der Reviere. So fand man beim Luchs M8, daß er sich bis zu 100 km von seinem Geburtsort entfernt hatte. Von anderen besenderten Luchsen wurden Sreifgebiete von ca. 200 und 270 Quadratkilometer Größe gemessen.  In einer von Mitarbeitern des Nationalpark Harz erarbeiteten Rasterkarte (2016) werden 45 bzw. 48 (im Folgejahr), im Monitoring 2018/2019 sogar 67 besetzte Rasterzellen von je 10 mal 10 km Größe für das Untersuchungsgebiet im Harz ausgewiesen. Der Harz scheint sich also in kurzer Zeit  zu einem gut besetzten Revier für den Luchs entwickelt zu haben. Kein Wunder, daß nunmehr in zunehmendem Maße die Besiedlung von Revieren in angrenzenden Gebirgen erfolgt. Die Tatsache, daß Beobachtungen von Luchsen der Harzpopulation bereits in fünf Bundesländern, nämlich in Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Hessen und Nordrhein-Westfalen vorliegen, ist im Vergleich mit anderen europäischen Siedlungsgebieten außerordentlich verheißungsvoll. Es scheint also schon der notwendige Populationsdruck zu herrschen, der bereits selbständige Jungtiere zwingt, neue Reviere in anderen Gebieten zu besetzen. Diese Entwicklung ist sehr erfreulich und wird von der notwendigen Öffentlichkeitsarbeit begleitet, die in erster Linie in der Verantwortung von Mitarbeitern des Nationalparks Harz liegt. Der Nationalpark ist mit seinem dafür verantwortlichen, verdienstvollen Mitarbeiter Ole Anders Träger des seit dem Jahr 2000 laufenden Projekts. Bis 2006 wurden 24 Luchse, darunter 15 Weibchen und 9 Männchen ausgewildert. Es handelt sich sämtlich um Gehegenachzuchten aus europäischen Tierparks, womit wieder einmal die Bedeutung dieser Einrichtungen für den Artenschutz belegt ist. An der Rabenklippe, die von Bad Harzburg gut erreichbar ist, kann man Luchse in einem Schaugehege auch bei Fütterungen gut beobachten. 


 

 

 Der Löwenzahnpfad bei Drei Annen Hohne


Oberhalb des Bahnhofs Drei Annen Hohne führt der sog. Löwenzahnpfad zur Hohnewiese. Dieser für die Umwelterziehung außerordentlich bedeutsame Naturlehrpfad, die Idee kam vom ZDF, fügt sich in eine ganze Reihe von Erlebniszentren ein, womit Mitarbeiter des Nationalparks an die Öffentlichkeit treten. Luchs- und Auerhuhngehege, Wildnis- und Borkenkäferlehrpfad sowie die verschiedensten Nationalparkinformationsstellen, darunter das hier in der Nähe gelegene Natur-Erlebniszentrum Hohnehof, wurden geschaffen und werden von Besuchern gern genutzt.

Neben den einzelnen, besonders auch für Kinder und Jugendliche interessanten Info- Punkten des Löwenzahnpfads, wie Tierspuren- und Barfußpfad, Sprunggrube mit den angegebenen Weiten, die Tiere springen können, Höreule oder der "uralten" Eiche fällt der Blick auf die reich blühende Bergwiese.

Es ist ein Ökosystem, das man in unserer heutigen Kulturlandschaft nur noch selten antrifft. Wie alle anderen Offenlandbiotope, genannt seien hier vor allem Trockenrasen und Heiden, bedürfen auch Wiesen einer ständigen Pflege, in diesem Fall der Mahd. Zweimal im Jahr, im Juni zur Heuernte und im Spätsommer zur sog. Grummeternte hatten Landwirte in vergangener Zeit diese Wiesen gemäht. Standen im Juni die Gräser im Vordergrund, so waren es Ende August die vielen bunt blühenden Kräuter, die den Aspekt bestimmten. Diese Art landwirtschaftlicher Nutzung gibt es heute nicht mehr, vielmehr bestimmen intensive Düngung und mehrmaliger Schnitt unter Einsatz leistungsstarken Maschinen das Geschehen. Auch die intensive Beweidung, zumeist mit großen Rinder-Herden, gehört dazu. Sie ist aber leider mit der früheren, schonenden, extensiven Beweidung nicht zu vergleichen. So lassen sich diese artenreichen und von uns ob ihrer Blütenpracht bewunderten Ökosyseme nur durch Bewirtschaftungsmaßnahmen erhalten, die der alten o. g. landwirtschaftlichen Kultur entsprechen. Wieder einmal ist der Naturschutz mit seinen fleißigen, ehrenamtlichen Helfern, aber auch eine unter bestimmten Umständen notwendige und wünschenswerte, auf die Ziele des Naturschutzes ausgerichtete Kooperation mit landwirtschaftlichen Betrieben, gefragt. Die hier betrachtete Hohnewiese, aber auch andere Orte im Harz, wie bspw. das Naturschutzgebiet "Bergwiesengesellschaften bei Hohegeiß" sind Orte dieses Geschehens. 

 

An dieser Stelle bietet es sich an, auf eine häufig gestellte Frage von Gartenfreunden einzugehen. Sie möchten wissen , wie der in Katalogen so oft gepriesene grüne Rasen angelegt, vor allem aber erhalten werden kann. Ein "englischer Rasen" sollte es möglichst sein, dicht und ohne Gänseblümchen (Bellis perennis), auf jeden Fall aber ohne Löwenzahn (Leontodon) oder Kuhblume (Taraxacum officinale), obwohl doch alle ausgesprochen hübsch sind und besonders im Frühsommer den Garten beleben. Nun muß man zuerst einmal wissen, daß die hier in Betracht kommenden Gräser keinen ständigen Schatten vertragen, weil ihre "Vorfahren" als lichtbedürftige Pflanzen von Waldlichtungen oder unbewaldeten Standorten stammen. Rasen wächst also schlecht unter Bäumen und das wird oft genug vergeblich versucht! Desweiteren sei daran erinnert, daß es in England, daher der Begriff "englischer Rasen", häufig regnet, es herrscht also ein ozeanisches Klima. Ein Blick auf die abendliche Wetterkarte im Fernsehen läßt aber vor allem für die östlichen und nordöstlichen Gebiete Deutschlands das Gegenteil erkennen.  Im subkontinental geprägten, östlichen Deutschland beklagen Landwirte und Gartenfreunde eine ausgesprochene Sommertrockenheit. Den vorzugsweise ozeanisch und subozeanisch verbreiteten Gräsern bekommt das gar nicht . Es fehlt einfach am notwendigen Wasser. Der schlecht wachsende Rasen bekommt Lücken, und diese werden von anderen " unerwünschten" Arten besetzt. Und schließlich strapazieren wir den Rasen auch noch durch allzu häufiges Mähen. Dabei wird  das Mähgut abgefahren und die Biomasse ständig aus dem ökologisch wichtigen Stoffkreislauf entnommen. Die Folge ist, der Boden verarmt an Humus und Nährstoffen, besonders an Stickstoff. Zusammengefaßt sei gesagt, die Gräser der angebotenen Rasenmischungen sind in hohem Maße anspruchsvoll. Sind die für ihr optimales Gedeihen wichtigen ökologischen Faktoren Licht, Wasser und Nährstoffe im Minimum, besetzen Arten, die mit schlechteren Bedingungen auskommen oder tiefer wurzeln, die frei werdenden Räume. Diese bedeutsamen ökologischen Zusammenhänge wurden auch  in vergangenen Jahrzehnten in der Landwirtschaft allzu oft übersehen, als Wiesenumbrüche und anschließende Neuansaaten mit empfindlichen Grassorten bei einer intensiven Nutzung des Grünlands großflächig vorgenommen wurden (siehe hierzu weiter oben die Ausführungen zum  Fiener Bruch). Auch bei der ökologischen und forstlichen Bewertung der Fichtenmonokulturen wird uns die Frage der standortgerechten Holzartenauswahl noch einmal beschäftigen.



 

Das Elendstal

Das 73,69 ha große und seit 1961 unter Naturschutz stehende Elelendstal ist ein Kerbsohlental, welches von der Kalten Bode durchflossen wird. Es bietet sich an, eine Exkursion vom gut erreichbaren kleinen Harzort Elend aus entlang der Bode nach Schierke zu unternehmen, um von dort eine Exkursion durch das Eckerloch zum Brocken anzuschließen. Vorher lohnt es sich in Elend noch die kleinste Kirche Deutschlands zu besichtigen, die als hübscher Holzbau schon von weitem grüßt.

Das Elendstal überrascht zunächst mit seinen Laubmischwäldern, in denen die Fichte (Picea abies) nur sparsam eingestreut erscheint. Derartige Wälder waren  von Natur aus in dieser Höhenlage, das Elendstal liegt zwischen 495 und 696 m Höhe, charakteristisch. Der überaus große Holzbedarf in vergangener Zeit, insbesondere durch den Bergbau, führte nach Wiederaufforstung mit schnell wachsenden Fichten zu den überall anzutreffenden Fichtenmonokulturen, deren Anfälligkeit gegenüber dem Borkenkäfer, aber auch gegenüber Stürmen wir heute allerorts beklagen. Insofern ist das Elendstal inmitten einer durch Fichtenforste gekennzeichneten Berglandschaft, die im Winter für Ski-Touristen sicher ihre Reize hat, ein weitgehend naturnaher Standort.

Korrespondierend mit der Hanglage, haben sich im Elendstal unterschiedliche Waldgesellschaften entwickelt. So gedeiht an den Südwesthängen ein Buchenwald (Luzulo-Fagetum), währenddessen in nordostexponierter Hanglage Laubmischwälder mit eingestreuter Fichte (Picea abies) das Vegetationsbild bestimmen. Das hier vorkommende Wollige Reitgras (Calamagrostis villosa) kündet schon die benachbarten Hochlagen des Harzes an. Schluchtwaldartiger Buchen-Ahornwald (Aceri-Fagetum), ebenfalls mit der Fichte (Picea abies) und weiteren eingestreuten, boreal verbreiteten  Arten deuten auf die Kühle des Tales hin. Den hier reichlich vertretenen Platanenblättrigen- oder Platanen-Hahnenfuß 

(Ranunculus platanifolius) werden wir auch in höherer Lage am Brocken wieder finden. Stellenweise wird die Kalte Bode von Hochstaudenfluren (Chaerophyllo-Petasitetum) mit Alpen-Milchlattich (Cicerbita alpina) und Weißer Pestwurz (Petasites albus) gesäumt. Anderenorts stößt man auf Bitterschaumkraut-Quellfluren (Cardamine amarae-Chrysosplenietum oppositifolii). Beide Gesellschaften bereichern das Gebiet in floristischer und vegetationskundlicher Hinsicht. 

Im Naturschutzgebiet sind 10 ha als Totalreservat ausgewiesen. Das gesamte NSG steht als FFH-Gebiet unter europäischem Schutz.


Fauna 


Grün- und Grauspecht (Picus viridis und P. canus),  sowie Wasseramsel ( Cinclus cinclus),  Gebirgsstelze (Motacilla cinerea) und das im Harz wieder angesiedelte Auerhuhn (Tetrao urogallus) kann man im  Elendstal beobachten, letzteres allerdings nur zur Nahrungssuche.



 

 

 

 

 Der Brockengipfel im Nationalpark Harz


Es bieten sich die unterschiedlichsten Wege zum Brockengipfel an. Ein sehr bekannter, oft gewählter Weg führt von Schierke über das Eckerloch zum Brocken. Aber viele andere Pfade könnten genannt werden, so bspw. der Heinrich-Heine-Weg von Ilsenburg oder der Goetheweg von Torfhaus kommend zum Gipfel.  Hier sei zunächst eine Fahrt mit der Brockenbahn vorgestellt. Vom Bahnhof Drei Annen Hohne aus erreicht man alsbald die obere Bergstufe und durchfährt in einer langen Spirale den altimontanen Bereich, um dann in etwa 1100 m Höhe die Waldgrenze zu erreichen und nahe an der Brockenkuppe in die subalpine Mattenzone zu gelangen. Eine Fahrt mit der Brockenbahn ist ein großes touristisches Erlebnis und wird zum Studium der Höhenstufenfolge auch gern bei geobotanisch-ökologischen Exkursionen mit Studentinnen und Studenten genutzt. So geschah es auch mehrmals bei unseren Exkursionen, und die hier aufgenommenen Bilder lassen mit dem interessanten Rückblick auf frühere Jahre und Jahrzehnte sicher sehr eindrucksvoll das Bild der damaligen Vegetation erkennen. Dabei erscheint besonders das reichliche Vorkommen der Brockenanemone (Pulsatilla alba) auf dem Brockenplateau vor dem Bau der Mauer erwähnenswert. Die schon im Jahr 1899 in Betrieb genommene Schmalspurbahn zum Brocken konnte nach dem Bau der Sperranlagen am 13. August 1961 nicht mehr genutzt werden und wurde nach der notwendigen Streckensanierung erst wieder am 1.Juli 1992 für den planmäßigen Zugverkehr frei gegeben.

Am 07.01.2016 wurde in der ehrwürdigen Kaiserpfalz in Goslar aus Anlaß des vor 10 Jahren gegründeten Nationalparks Harz eine positive Bilanz der bisherigen Entwicklung gezogen. Ein wichtiges Ergebnis der  Arbeit war, daß die ökologisch wichtige Kernzone ständig vergrößert werden konnte und nunmehr 60,3 % der Fläche des 24732 ha großen Schutzgebietes umfaßt. Damit ist man dem Motto des Nationalparks "Sagenumwobene Bergwildnis" zu schaffen, ein ganzes Stück näher gekommen (WEGENER, U. 2012) und hat gleichzeitig das durch die IUCN (Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen) vorgegebene Ziel, bis 2022  

75 % der Fläche als Kernzone auszuweisen, d.h. danach dort nur noch Prozeßschutz stattfinden zu lassen, im Auge gehabt. Menschlicher Eingriff erfolgt in dieser Zone nicht mehr, denn es soll ein ungestörter Ablauf der natürlichen Prozesse stattfinden.


Im Jahr 2006 wurde mit der Gründung des Nationalparks, wie in den Gesetzen vorgesehen, erstmals eine Gebietsgliederung durchgeführt, was eine Unterscheidung von drei Zonen zur Folge hatte, in denen die unterschiedliche Naturnähe dargestellt wird. Es handelt sich um Naturdynamikzonen, Naturentwicklungszonen und Nutzungszonen. Aus den Bezeichnungen geht schon hervor, daß es Bereiche

unterschiedlicher anthropogener Beeinflussung sind.

In der Naturentwicklungszone oder den Entwicklungszonen, wenn man die zum Teil getrennten Bereiche im Auge hat, ist noch ein zeitlich befristetes  Biotopmanagement wie Pflege- und Renaturierung bestimmter Standorte erforderlich. Eine Bewirtschaftung im ökonomischen Sinne ist allerdings untersagt. 

Eine sehr große Bedeutung hat in diesen Bereichen die Überführung der Fichtenforste in naturnahe Buchenwald-Gesellschaften. Dazu werden in den submontanen und montanen Lagen unter 800 m ü. NN. Pflanzungen von Laubbäumen, zumeist von Rot-Buchen (Fagus sylvatica), durchgeführt. Die in Baumschulen angezogenen Bäume, das Samenmaterial stammt bevorzugt aus noch vorhandenen alten Buchenwäldern, werden in Bestandeslücken alter Fichtenforste oder im Falle jüngerer Bestände in frei geschlagene Flächen eingebracht. Auf diese Art wurden bereits über 600000 Laubbäume gepflanzt und ca. 450 ha Fichtenforst mit sogenannten Laubbauminitialen versehen

(NATIONALPARK HARZ, TÄTIGKEITSBERICHT 2015). Das Saatgut wird in Zukunft vermehrt aus den " neu geschaffenen Wäldern" der unterschiedlichsten Standorte entnommen, wobei folgerichtig Samen verschiedener Populationen Verwendung finden, und somit auf längere Sicht die gewünschte Populationsvielfalt, ähnlich wie in "alten Buchen- und Buchenmischwäldern" entstehen wird. Das zumindest ist die populationsökologisch und populationsgenetisch begründete Annahme. Ähnliche Zusammenhänge sind auch aus der Pflanzenzüchtung bekannt Es wäre wünschenswert, wenn populationsbiologische Studien verstärkt in der Öksystemforschung Berücksichtigung fänden und die im oben genannten Tätigkeitsbericht geäußerten Gedanken dazu Anstoß geben würden. 

In den Nutzungszonen bedarf es einer ständigen Pflege der von Menschenhand geschaffenen waldoffenen und zumeist kulturhistorisch bedeutsamen Ökosysteme. Bergwiesen, Bergheiden und Schwermetallrasen sind hier zu nennen. Die ausgewiesenen Gebiete, es sind nur etwa 1% der Gesamtfläche, dienen erstrangig Erholungs- und Bildungzwecken, sind aber auch für langfristige wissenschaftliche Untersuchungen von Bedeutung.

Anders als in den beiden soeben genannten Zonen dürfen in den Naturdynamikzonen keine menschlichen Eingiffe erfolgen. Die Natur ist sich hier selbst überlassen. Es ist nur erlaubt, Maßnahmen zur Verkehrssicherung, wie bspw. am Rand von Verkehrsstraßen, und falls notwendig, eine Bekämpfung des Borkenkäfers im 500 m Sicherheitsstreifen vorzunehmen. Das führt bei Naturliebhabern oft genug zu Mißverständnissen, ist aber aus naturschutzfachlicher Sicht nicht zu umgehen. Schäden durch Borkenkäfer sind selbst in den naturnahen Fichtenwäldern der kälteren Hochlagen des Brockens heute nicht mehr zu übersehen. Ganz offenbar sind die durch den Klimawandel hervorgerufenen höheren Temperaturen und häufigeren Witterungsextreme, wie Trockenperioden, der Entwicklung des Borkenkäfers förderlich. Dennoch ermutigen mehrjährige  Beobachtungen, wie in den Fotos von K. John  aus den Jahren 2004, 2006 und 2012 eindrucksvoll belegt und vom Leiter der Nationalparkverwaltung, Andreas Pusch, beschrieben, daß sich der geschädigte Wald, es handelt sich dabei zumeist um alte Fichtenbestände, schnell restauriert und Fichtenjungwuchs neben lichtbedürftigen Arten, darunter Eberesche, Moorbirke und Weide ein reich strukturiertes Ökosystem bilden ( NATIONALPARK HARZ, TÄTIGKEITSBERICHT 2017).

Bis zum Jahr 2022 besteht das Ziel, 75 % der Nationalparkfläche in die Naturdynamikzone zu überführen. Weiterhin soll bis zu diesem Zeitpunkt eine pflanzensoziologische Wiederholungskartierung der gesamten Nationalparkfläche nach der Methode von Braun-Blanquet erfolgen und eine Digitalisierung der Daten vorgenommen werden. In späteren Untersuchungen läßt sich auf dieser Grundlage die natürliche Sukzession auf den eingemessenen Flächen verfolgen (NATIONALPARK HARZ, TÄTIGKEITSBERICHT 2016).  

Der Nationalpark Harz gehört zu den größten Schutzgebieten seiner Art in Deutschland. Er erstreckt sich von Herzberg und Bad Lauterberg im Süden bis nach Bad Harzburg, Stapelburg und Ilsenburg im Norden und von Drei Annen Hohne im Osten bis nach Altenau im Westen. 

Es war vor allem aus politschen Gründen nicht leicht, diesen länderübergreifenden Nationalpark zu gründen, aber auch in diesem Fall ist es, wie schon weiter oben bei der Ausweisung anderer Schutzgebiete erwähnt, dem Enthusiasmus und der reichen naturschutzfachlichen Erfahrung der vor Ort tätigen Kolleginnen und Kollegen, in diesem Fall in den Ländern Sachsen-Anhalt und Niedersachsen, zu verdanken, daß gleich nach der politischen Wende konkrete Schritte zur Bewältigung der verwaltungstechnischen Aufgaben unternommen wurden. So hat bspw. Dr. Uwe Wegener am 30. November 1989  erste Konzepte für einen Nationalpark Harz in den Behörden des damaligen Bezirks Magdeburg und Niedersachsen vorgestellt, und es gab in der Folge, verstärkt ab 1994, Bemühungen den zu Niedersachsen gehörenden Nationalpark Harz und den in Sachsen-Anhalt ausgewiesenen Nationalpark Hochharz  zu vereinigen. 


Dank einer Fülle von vorliegenden geobotanischen und arealkundlichen Daten können wir heute mit einer relativ klaren Vorstellung eine biologische Fachexkursion planen. Sollten dabei noch genügend Kenntnisse über die Struktur der im Exkursionsgebiet vorkommenden Pflanzengesellschaften vorliegen, was in gut bearbeiteten Gebieten und in diesem Fall auch für den Brocken gilt, lassen sich Rückschlüsse auf das mögliche Vorkommen charakteristischer Pflanzenarten ziehen. In den Hochlagen eines mitteleuropäisches Gebirges sind daher auch ganz bestimmte Arten zu erwarten. Nicht ohne Grund haben wir deshalb weiter oben auf arealkundliche Grundlagen  und charakteristische boreo-montane Floren- und Faunenelemente (Geoelemente) verwiesen. Zur begrifflichen Orientierung sei auch hier wieder auf das Buch von SEDLAG, U. und WEINERT, E. : Biogeographie, Artbildung, Evolution (1987) verwiesen. Im Pflanzenbestimmungsbuch "Exkursionsflora von Deutschland" (2011), begründet von Prof. Dr. Werner Rothmaler und weitergeführt von vielen wissenschaftlichen Mitarbeitern unter der jetzigen Federführung von Prof. Dr. Eckehart J. Jäger, sind zu jeder aufgeführten Art alle wichtigen ökologischen und speziell arealkundlichen Angaben dokumentiert. Es sind leicht zugängliche Daten, die zur Vorbereitung von Exkursionen und wissenschaftlichen Geländearbeiten sehr bedeutend sind. Alle größeren wissenschaftlichen Bibliotheken, vor allem in Universitätsstädten, besitzen zudem das umfangreiche Werk von MEUSEL, H., JÄGER, E., und WEINERT, E. : "Vergleichende Chorologie der zentraleuropäischen Flora" (1965) mit genauen Verbreitungskarten der einzelnen Arten.

Das von Pflanzensoziologen (vgl. hierzu POTT, R. 1992, 1993 u.a.) und Aralkundlern erarbeitete Datenmaterial ist auch bei der Erarbeitung einer Systemanalyse in Vorbereitung von Ökosystemuntersuchugen von großer Wichtigkeit. In diesem Zusammenhang sei auf ein Umweltmonitoring im Nationalpark Harz (2015)  aufmerksam gemacht, das in seiner Konzeption und Methodik auf den soeben genannten ökologisch-geobotanischen Grundlagen basiert. Da immerhin 97 % der Fläche des Nationalparks mit Wäldern verschiedenster Zusammensetzung bestanden ist, und viele Standorte in stärkerem Maße  anthropogen, d.h. im wesentlichen forstlich überformt erscheinen, überrascht es nicht, daß hier Untersuchungen unternommen werden, um die natürliche Entwicklung der Lebensräume und deren Biocoenosen nach Aufgabe der Nutzung zu dokumentieren. Es sind langfristige Untersuchungen, die auf Dauerbeobachtungsflächen stattfinden und von einem Gewässer-, Vogel- und Fledermaus-Monitoring begleitet werden. Außerdem findet eine Inventarisierung der Pflanzen- und Tierarten statt. Bisher konnten bei einer Grunddatenerfassung ca. 1500 Käfer-, 420 Webspinnen-, 123 Vogel-, 18 Fledermaus-, 1714 Pilz- und 573 Flechtenarten nachgewiesen und in einer Datenbank hinterlegt werden. Weiterhin kommen noch über 1000 Arten von Farn-und Blütenpflanzen hinzu.

Eine früher begonnene Studie , (KARSTE et al. , 2005), folgt ebenfalls der hier aufgezeigten Methodik und hat die Strukturerfassung ausgewählter Pflanzengesellschaften und deren Veränderung im Zuge des Prozessschutzes im Nationalpark zum Ziel. Dazu wurden auf der Grundlage der bestehenden Vegetationskarte Dauerbeobachtungsflächen in 11 Pflanzengesellschaften markiert und durch Aufzeichnung der GPS-Koordinaten wiederauffindbar gemacht. Die ausgewählten Pflanzengesellschaften reichen von Beständen des Galio oderati- und Luzulo-Fagetum, also Buchenwaldgesellschaften in unteren und mittleren Höhenlagen, über Buchenmischwälder (Fago-Piceetum) bis zu Fichtenwäldern der Hochlagen (Piceo-Sorbetum aucupariae, Betulo carpaticae-Piceetum, Vaccinio uliginosi-Piceetum). Damit werden Waldgesellschaften von der submontanen bis altimontanen Höhenstufe erfaßt. Daneben wurden auch Pflanzengesellschaften anderer hier nicht genannter Standorte in die Betrachtung einbezogen. Diese langfristig angelegten Untersuchungen werden uns ein Bild darüber vermitteln, wie, wann und in welcher Struktur sich Ökosysteme entwickeln, die, wie wir vermuten, vor der tiefgreifenden anthropogenen Nutzung vorgelegen haben. So kann ein Nationalpark die wichtige Funktion eines Freilandlabors erfüllen, und wir dürfen als Touristen und Studierende daran teilhaben.


In wohl einzigartiger Weise verbindet das Grüne Band als eine Hinterlassenschaft der deutschen Teilung und Spaltung Europas von der Ostsee bis zum Vogtland eine Vielzahl verschiedenster Lebensräume und hat damit eine große Bedeutung für den Artenverbund. Zieht man die vielen europäischen Länder in die Betrachtung ein, ist es ein riesiges, sich über viele 1000 km erstreckendes Biotopverbundsystem. Auf unseren Harzexkursionen können wir auf dem ehemaligen Kolonnenweg wandern und dabei in besonderer Weise Natur, Kultur und Geschichte der jeweiligen Region erleben. Eines der größten Naturschutzprojekte Europas war mit dem Fall der Mauer geboren und muß auf lange Sicht als Wanderweg für Pflanzen und Tiere erhalten bleiben. Dazu sind landschaftspflegende Maßnahmen erforderlich, die auf die jeweiligen Naturschutzziele auszurichten sind.


Oft wird davon berichtet, daß der Harz schon seit langer Zeit ein bedeutendes Zuwanderungsgebiet sei. Und tatsächlich liegt eine große Artendichte und biologische Vielfalt vor, denn im knapp 25000 ha großen Nationalpark, beträgt der Anteil von Arten Höherer Pflanzen in Bezug auf ganz Deutschland beachtliche 35 %; bei Moosen sind es 43, Großpilzen 40 und Flechten 30 %, so mitgeteilt in einem jüngsten Bericht der Nationalparkverwaltung (2015). In dieser Mitteilung fällt besonders die große Anzahl von Moosen auf. Auch in einer umfangreichen Arbeit über die Moosgesellschaften des Nationalparks Harz (SCHUBERT, R.  2008) wird darüber berichtet und besonders hervorgehoben, welche Bedeutung das Gebiet  für den Schutz der Moose hat. In den 77 beschriebenen Moosgesellschsften gelten deutschlandweit viele Arten als bedroht; 17 der vorgefundenen Moosgesellschaften sind in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gefährdet.

Natürlich sind auf dem Brocken von Natur aus günstige Lebensbedingungen für Moose gegeben, denn auf den aus der sogenannten Wollsackverwitterung hervorgegangenen und für den Brocken typischen  Granitfelsen und Granitblöcken und deren Verwitterungsprodukten, gedeihen bei den uns unwirtlich erscheinenden klimatischen Bedingungen Moose ganz prächtig; immerhin beträgt das langjärige Temperaturmittel auf dem Brocken im Jahresdurchschnitt  nur 2,9° C. , dazu kommen im langjährigen Mittel 1814 Liter Jahresniederschlag pro Quadratmeter , durchschnittlich 88 % relative Luftfeuchtigkeit und eine mittlere Zahl von 306 Nebeltagen im Jahr. Bedeutende Standorte für Moose  sind auch alte Baumstämme und Baumstümpfe sowie  Moore und saubere Fließgewässer.


Unter den Blütenpflanzen sind die für den Hochharz typischen arktisch-alpinen und boreo-montanen Geoelemente mit einem Anteil von etwa 15 % vertreten ( KISON, H.-U.  2015).  Wir finden sie vor allem in den Wäldern der altimontanen Höhenstufe, also den höheren Regionen, wie dem Calamagrostio villosae-Piceetum, dem Piceo- Sorbetum aucupariae, dem Betulo carpaticae-Piceetum und dem Vaccinio uliginosi-Piceetum. Weiterhin sind sie in den vielen Mooren und Moorsümpfen rund um den Brocken präsent. Als Pflanzen-Gesellschaften sind hier das Eriophoro-Trichophoretum caespitosi, das Sphagnetum magellanici u.a. beschrieben worden (WEGENER, U. u. KISON, H.-U.  2002). Aber natürlich begegnen uns die nordischen Geoelemente vor allem in den subalpinen Matten des Brockengipfels. Die Anemone micrantha-Calluna vulgaris-Gesellschaft und das Pulsatillo micranthae-Nardetum sind hier beschrieben worden. Die arktisch-alpin verbreiteten, schwach wüchsigen Arten wie  Scheiden- und Starre Segge (Carex vaginata und Carex bigelowii) oder Alpen- und Schwärzliches Habichtskraut (Hieracium alpinum und Hieracium nigrescens) drohen jedoch mit der Brockenanemone (Pulsatilla alba, früher Pulsatilla micrantha genannt) zu verschwinden, wenn nicht durch ständige Pflegeeinsätze die durch anthropogene Einwirkung und hohen Stickstoffeintrag aus der Luft geförderten Gräser und andere schnellwüchsige Arten in ihrer Dominanz eingeschränkt würden.

Dies geschah erst jüngst wieder, als in einer gemeinsamen Aktion mit dem Landschaftspflegeverband Harz e.V. etwa 3 ha der Rasenfläche des Brockengipfels gemäht und ca. 60 Tonnen Grassoden abgeplaggt wurden. Mähgut und Grassoden mußten dabei von der Fläche entfernt werden, um dem Ökosystem die Nährstoffe zu entziehen (NATIONALPARK HARZ, TÄTIKEITSBERICHT 2017). Es wurden sogar Rinder der Rasse Rotes Harzer Höhenvieh zur Biotoppflege (Biomasseentzug) eingesetzt. ( NATIONALPARK  HARZ, TÄTIGKEITSBERICHT 2019). Dieses Ökosystem-Management zur Erhaltung seltener und hochrangig gefährdeter Arten am natürlichen Standort gehört zum notwendigen Programm in einem Schutzgebiet. Der Nationalpark Harz ist deshalb auch von der IUCN als Entwicklungsnationalpark eingestuft worden.


Viele seltene, alpin und arktisch verbreitete Pflanzen haben in dem bereits 1890 gegründeten Brockengarten Platz gefunden. Mehr der ca.1500 Arten, darunter typische Vertreter des Brockens, werden hier unter natürlichen subalpinen Klimaverhältnissen kultiviert und stehen letzlich als Erhaltungskultur für vom Aussterben bedrohte Arten zur Verfügung. Der Brockengarten ist als Versuchs- und Schaugarten deklariert und wird von Wissenschaftlern der Martin-Luther-Universität Halle -Wittenberg, der Georg- August-Universität Göttingen und vom Nationalpark Harz betreut. In dem Buch "Brockengarten im Harz" (EBEL, F. et  al.  2005) sind viele der kultivierten Pflanzenarten, übersichlich nach alpinen Ökosystemen und geographischen Regionen geordnet, beschrieben und mit hervorragenden Fotos dokumentiert. 

Der Nationalpark Harz mit dem sagenumwobenen Brocken als Mittelpunkt, bei sehr gutem Wetter hat man hier schon bis zu 230 km weit sehen können, übt eine große Anziehungskraft auf Besucher aus. Bis zu zwei Millionen Erholungssuchende pro Jahr sind eine erfreulich große Zahl, die auch der Tourismusbranche gut tut. Natürlich wird zurecht erwartet, daß die von der Nationalparkverwaltung vorgegebenen Verordnungen, insbesondere das Wegegebot eingehalten werden, um die zum Teil sensiblen Ökosysteme zu schützen und die Tiere nicht zu beunruhigen. Wildkatze, Luchs, Auerhahn, Schwarzstorch, Schwarzspecht, Rauhfuß- und Sperlingskauz, Haubenmeise, Erlenzeisig, Fichtenkreuzschnabel, Tannenhäher, Wasseramsel, Ringdrossel, Erdkröte, Feuersalamander, Bergmolch, Bergeidechse oder Spezialisten wie der Moor-Perlmuttfalter und die Arktische Smaragdlibelle sowie andere seltene Arten sind sehr störungsanfällig und können, wie Rot-und Rehwild, wenn überhaupt, nur bei absoluter Ruhe beobachtet werden. Das Wegenetz ist so dicht, daß alle wichtigen Bereiche zugänglich sind.

Mittlerweile ist wohl auch der Wolf im Harz angekommen und das war 

bei der inzwischen stark angestiegenen Zahl der Wolfsrudel  in  den nahe liegenden Bundesländern Brandenburg, Sachsen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern nicht anders zu erwarten ( NABU, 2017). In Deutschland wurden in einem Monitoring des Zeitraumes 2017/2018 neben 30 Wolfspaaren und 3 Einzeltieren  73 Wolfsrudel  erfasst; davon wurden ein Rudel in Bayern und die übrigen in den o.g. 5 Bundesländern gesichtet. Im Monitoring 2018/2019 stieg die Zahl der Wolfsrudel in Deutschland auf 105 Rudel. Auf der Suche nach neuen Revieren müssen Jungwölfe, die zumeist im 2. Lebensjahr nach Erreichen der Geschlechtsreife das Rudel verlassen, große Strecken durch eine für sie gefährliche Kulturlandschaft mit vielen Vekehrswegen zurücklegen, um ein solches Revier zu finden. Mit einem jungen Weibchen können sie ein weiteres Rudel begründen. Solche wandernden Jungtiere werden hier und da gesichtet und gelegentlich, wie im Harz, auch in Luchs-Fotofallen  gewissermaßen als "Beifang" abgebildet. Auf diese Weise konnte man in den letzten Jahren an verschiedenen Orten im Harz einzelne Wölfe, die sich offenbar auf Reviersuche befanden, nachweisen. Eine Etablierung von neu begründeten Rudeln ist in den weiten Harzwäldern in den nächsten Jahren sehr wahrscheinlich.


Literatur

- ANDERS, O. : Der Luchs - zurück im Harz. www.nna.niedersachsen.de/download/62885

- BfN: Aktuelle Zahlen: 73 Wolfsrudel in Deutschland.

  https://www.bfn.de > pressemitteilung, 2018

- BODETAL. www.Ivwa-natur.sachsen-anhalt.de/nsg0022.htm

- EBEL, F., KARSTE, G., KÜMMEL, F., RICHTER, W., und 

  W. STRUMPF: Der Brockengarten im Harz. Verlag Schadach,

  Goslar, 2005

- ELENDSTAL. www.lvwa-natur. sachsen-anhalt.de/nsg0020.htm

- HARSLEBENER BERGE und STEINHOLZ. www.lvwa-  natur.sachsen-anhalt.de/doppel/nsg0062.htm

-KARSTE, G., SCHUBERT, R., KISON, H.-U. und U. WEGENER:   Strukturerfassung in ausgewählten Waldgesellschaften im   Nationalpark Harz (Sachsen-Anhalt). Mitt. florist. Kart. Sachsen-   Anhalt

10, 3 - 28, Halle, 2005

- KISON, H.-U. : Die nordwestlichen Vorposten der Steppenvegetation    im nördlichen Harzvorland (Sachsen-Anhalt).         www.thueringen.de/imperia/md/content/tmlnu/themen/naturschutz/

  steppenrasen/tagungsband 2012/10

- LÖWENZAHNPFAD. www.ausflugsziele-harz.de, 2011

- LÖWENZAHN-ENTDECKERPFAD. www.nationalpark-harz.de

- MEUSEL, H., JÄGER, E., WEINERT, E. : Vergleichende Chorologie     der zentraleuropäischen Flora. 3 Bände. Gustav Fischer Verlag, 

  Jena, 1995 - 1992

- NABU, Wölfe in Deutschland. www.nabu.de, 2017, 2019

- NATIONALPARK HARZ. Waldentwicklung und     Waldentwicklungsmaßnahmen. www.nationalpark-harz.de.   TÄTIGKEITSBERICHTE 2015, 2016 und 2017

 NATIONALPARK HARZ. Aktuelles: Die Zahl der Luchse im Harz. 

 www.nationalpark-harz.de/aktuelles/2015/04/luchspopulation.

 Nationalpark Harz. TÄTIGKEITSBERICHTE 2015, 2016,2017, 2018 und 2019

- NATIONALPARK HARZ. Aktuelles: 10 Jahre Nationalparkfusion im   Harz, www.nationalpark-harz.de, 2016

- PFADENHAUER, J. S. und  F. A. KLÖTZLI : Vegetation der Erde.

  Springer-Verlag, Berlin - Heidelberg, 2014 

- POTT, R. : Die Pflanzengesellschaften Deutschlands. Verlag

  Eugen Ulmer,   Stuttgart, 1992

- POTT, R. : Farbatlas Waldlandschaften. Verlag Eugen Ulmer,           Stuttgart, 1993  

- SCHUBERT, R. : Die Moosgesellschaften des Nationalparks Harz.     Mitteilungen zur floristischen Kartierung in Sachsen-Anhalt,

 Sonderheft 5, 2008

- SEDLAG, U. und  WEINERT, E. : Biogeographie, Artbildung,   Evolution. Gustav Fischer Verlag, Jena, 1987 

- STÖCKER, G. : Das Bodetal. Botanische Exkursionen im Ostharz     und im nördlichen Thüringen. Herausgegeben anläßlich des   Deutschen Botaniker-Tages in Halle (Saale) vom 23. bis 31.5. 1961.   Akademischer Verlag Halle, 1961

- UMWELTMONITORING im Nationalpark Harz. www.nationalpark -

  Harz.de, 2015

- WEGENER, U. : Pflegekonzeption für Heide- und Hutungsflächen   (NSG Harslebener Berge-Steinholz. Naturschutzarbeit Bezirke Halle   und Magdeburg 25: 29-36, 1988

- WEGENER, U. und HERDAM, H. : Vorkommen und   Erhaltungsmaßnahmen für die Sand-Silberscharte Jurinea cyanoides   (L.) RCHB. im Nordharz-Vorl. Abh. Ber. Mus. Heineanum 6: 1-10,   2009

- WEGENER, U. : Der Nationalpark Harz.  In : Naturschutz in   Deutschland. Hrsg. SUCCOW, M., JESCHKE, L. und  KNAPP, H. D. ,   Christoph Links Verlag GmbH, Berlin, 2012





Fortsetzung erfolgt unter Berücksichtigung neuerer Literatur

 

 

 

 

 

 *Prof. Dr. Joachim Pötsch, bis 1998 Leiter des Instituts für Ökologie und Naturschutz und der Ökologischen Station Gülpe der Universität Potsdam.